Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
um über seine Lage zu scherzen.
»Also, kommen wir zurück. Laut Brida glaubt Ihr, Elisabeth sei Deutsche.«
»Ja.«
»Was könnt Ihr mir noch über sie berichten?«
»Nichts von Belang.«
»Alles ist von Belang. Also?«
»Sie hat Angst vor Mäusen.«
Claas starrte ihn an, als hätte er sich verhört.
»Ich sagte doch, nichts von Belang«, wiederholte Erik.
»Gestern erschient Ihr mir offener.«
War das ein Vorwurf oder eine Feststellung? Erik versuchte im Gesicht des Stadtrats zu lesen, fand jedoch keine eindeutige Antwort.
»Ich habe Euch alles erzählt, was ich weiß. Wenn ich mehr wüsste, würde ich es Euch mitteilen.« Erik atmete tief durch. »Was wollt Ihr denn noch von mir hören? Ich habe mich gestern daran erinnert, wie ich als Junge eine Maus gefangen habe. Es war der Hochzeitstag meines Bruders, die Maus ist mir vor den Augen der Braut entwischt, und es gab Gezeter. Mein Bruder lachte, dann beruhigte er sie, nannte sie bei ihrem Namen, Elisabeth, und redete ihr auf Deutsch gut zu. Hilft Euch das weiter?«
»Möglicherweise. Das ist immerhin eine Geschichte, an die man sich erinnert. Wie alt wart Ihr damals?«
»Vielleicht neun oder zehn.«
»Also liegt es etwa fünfzehn Jahre zurück.«
»Das kann gut sein.«
»Hat Brida über meinen Verdacht gesprochen, Ihr könntet möglicherweise eine deutsche Mutter haben?«
»Sie erwähnte, was Ihr über die Kaufleute von Vordingborg berichtet habt.« In Eriks Schädel begann es zu pochen. Ein Schmerz, als wolle ihm jemand die Augäpfel aus den Höhlen pressen.
»Und was denkt Ihr?«
Erik überlegte. In den letzten Tagen waren einige Bilder aufgetaucht, aber keines davon hätte er jemals mit seiner Mutter in Verbindung gebracht. Mutter … allein das Wort löste nur weißen Nebel aus. So, als hätte er sie niemals gekannt. War sie womöglich verstorben, als er noch klein war?
»Diese Frage kann ich nicht beantworten. Vielleicht ist es so«, sagte er schließlich. »Glaubt Ihr, es wäre mir nützlich, deutsche Angehörige zu haben?«
»Ich will ehrlich sein, Erik. Angehörige Eurer Mutter könnten nicht viel für Euch tun. Wenn Ihr den Namen einer einflussreichen dänischen Familie tragt, wird es in diesen Tagen keinen scheren, ob Ihr auch deutsche Wurzeln habt. Zu viele Deutsche sitzen seit der Schlacht am Sund in dänischer Gefangenschaft und warten auf Auslösung.«
Erik nickte. Er hatte nichts anderes erwartet. Das Pochen im Schädel wurde schlimmer. Wie von selbst glitten seine Finger an die Schläfen und versuchten, den Schmerz wegzudrücken.
»Geht es Euch nicht gut?«, fragte Claas. »Soll ich Brida noch einmal zu Euch schicken?«
Brida. Der Gedanke an sie hatte etwas Tröstliches.
»Das wäre sehr freundlich von Euch.«
Claas erhob sich. »Wenn Euch noch etwas einfällt, sagt den Wachen Bescheid, sie holen mich dann sofort.«
Erik nickte stumm.
»Kann ich sonst noch etwas für Euch tun?«
»Mich hier herausholen.«
»Ich werde mein Bestes tun. Und bis dahin?«
»Eine zweite Decke wäre nicht schlecht. Hier ist es nachts sehr kalt.«
»Sollt Ihr bekommen.«
Die Decke wurde ihm kurz darauf von einem der Wächter gebracht.
»Danke«, sagte Erik, als der Mann sie ihm reichte. Wieder dieser verblüffte Blick. Vermutlich hatten die übrigen Gefangenen keinen Grund, sich für irgendetwas zu bedanken.
Einen Moment lang schien es, als wolle der Wächter noch etwas sagen, aber dann verließ er die Zelle wortlos wie immer.
Ein leises Lächeln huschte über Eriks Lippen. Es war richtig, sich entgegenkommend zu zeigen, keinen Widerstand zu leisten und einfach abzuwarten, was geschah. Wer mochte schon wissen, wie lange seine Gefangenschaft dauern würde? Er konnte es sich nicht leisten, sich die Wächter zu Feinden zu machen.
Irgendwer hatte vor langer Zeit einmal gesagt, Schlachten würden nicht von den stärksten, sondern von den klügsten Mächten für sich entschieden. Die Höflichkeit der Diplomaten sei eine schärfere Waffe als das Schwert. War es sein Vater gewesen? Vater … Gesicht, Name … nein, nichts als weißer Nebel.
Und sein eigener Name? Der gleiche Nebel. Verdammt, warum erinnerte er sich an den Namen seines Bruders und seiner Schwägerin, aber nicht an seinen eigenen? Verrückt nur, dass er gar nicht mehr so angestrengt über seinen wirklichen Namen nachdachte. Mittlerweile fühlte der Name Erik sich an, als gehöre er ihm tatsächlich. Seltsam, wie schnell alle dabei waren, ihm aus seinen wenigen
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