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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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immer schwächer wurde. »Dass ich nicht mehr unterscheiden kann, was Wirklichkeit ist und was Albtraum?«
    »Es tut Euch nicht gut, in diesem Gefängnis zu sitzen. Vater versucht alles, Euch hier herauszuholen. Aber er braucht noch etwas Zeit.«
    »Wie will er das schaffen?«
    »Er wird für Euch bürgen.«
    »Bürgen? Aber er kennt mich doch gar nicht.«
    »Muss man den Namen eines Menschen wissen, um ihn zu kennen?«
    Er spürte ihren Atem im Nacken, während ihre Hände ihn weiter massierten und den letzten Schmerz vertrieben.
    »Womit habe ich Eure Fürsorge verdient, Brida?«
    »Heißt es nicht in der Heiligen Schrift: Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan?«
    Sie ließ ihn los.
    »Jetzt müsste es gut sein, oder?«
    »Ich hätte es noch länger ausgehalten.« Er wandte sich um und schenkte ihr ein Lächeln. »Wie kommt es, dass Ihr und Euer Vater Euch viel mehr um die Gebote der christlichen Nächstenliebe kümmert als der Pfarrer?«
    »Vielleicht weil wir viel mehr erlebt und gesehen haben«, antwortete sie. »Vielleicht weil mein Vater sich einmal in einer ähnlichen Lage befand wie Ihr.«
    »Was meint Ihr damit?«
    »Es war lange vor meiner Geburt, er war etwa in Eurem Alter, da verlor auch er ein Schiff. Es war im Mittelmeer. Er wurde an einer Küste angespült, die er nicht kannte. Von Leuten gefunden, deren Sprache er nicht verstand. Dort war es noch üblich, dass alles, was das Meer hergab, den Findern gehörte. Sogar der Leib des Schiffbrüchigen. Aber mein Vater hatte Glück. Der Mann, der ihn fand, war das Oberhaupt des Dorfs, und er stellte meinen Vater unter seinen Schutz. Dennoch dauerte es über ein Jahr, bis es Vater gelang, einen Weg zurück nach Hause zu finden, denn er war im maurischen Teil Spaniens gestrandet. Er lernte Menschen kennen, die man hier fürchtet und verachtet, weil sie keine Christen sind. Und doch fand er unter ihnen genauso viele aufrechte Leute wie anderswo auf der Welt. Und auch genauso viele Schurken. Ich habe meinen Vater immer als jemanden gekannt, der ins Herz der Menschen blickt, ganz unabhängig von Stand und Herkunft. Er hat auch in Euer Herz geblickt, Erik. Deshalb will er für Euch bürgen.«
    »Und wenn ich es nicht wert bin?«
    »Diese Frage würde nur jemand stellen, der es wert ist.«
    »Ich habe Euch von den Ungereimtheiten in meinen Erinnerungen erzählt, Brida. Was ist, wenn ich tatsächlich nur ein Flüchtling bin?«
    »Das ändert nichts daran, dass wir Euch als aufrechten, anständigen Mann kennen.«
    Ihre Bereitschaft, zu ihm zu stehen, rührte ihn auf seltsame Weise an.
    »Brida, ich habe Euch gebeten, dem Stadtrat nichts zu sagen. Ich möchte Euch auch weiterhin darum bitten. Aber Ihr solltet es Eurem Vater erzählen. Ich will nicht, dass er unter falschen Voraussetzungen irgendetwas für mich tut. Vielleicht habe ich eine verwerfliche Tat begangen, die mich zur Flucht zwang.«
    »Der Gedanke quält Euch? Hört auf damit! Woher wollt Ihr wissen, dass die düsteren Erinnerungen mit Eurer Gegenwart zu tun haben? Vielleicht habt Ihr vor vielen Jahren einmal einen Kerker betreten, aus welchem Grund auch immer. Beziehen sich nicht die meisten der Erinnerungen, die Ihr noch habt, auf Eure Kindheit? Könnte es nicht sein, dass Ihr als Junge heimlich an einen verbotenen Ort geklettert seid und dort Dinge gehört und gesehen habt, die nicht gut für ein Kind sind?«
    Er schluckte. Auf diesen Gedanken war er noch gar nicht gekommen.
    »Aber wie wurde ich dann verwundet?«
    »Wer kann das wissen? Es gäbe viele Möglichkeiten, und die meisten wären ehrenhaft.«
    Die Tür klappte. Der Wächter stand vor ihnen.
    »Ihr seid schon sehr lange bei dem Gefangenen«, sagte der Mann zu Brida. »Es wird Zeit, dass Ihr geht.«
    Für einen Moment befürchtete Erik, Brida werde aufbrausen, stattdessen nickte sie nur.
    »Lebt wohl, Erik. Ich will mich bemühen, so bald wie möglich wieder nach Euch zu sehen.«
    »Ich danke Euch, Jungfer Brida.«
    In dieser Nacht klapperten wieder die Würfel. Die Wächter lachten und tauschten deftige Zoten aus. Am Ende der Nacht hatte Erik den Eindruck, alle ihre Eroberungen zu kennen, und fragte sich, wie viele davon wohl erfunden waren. Vermutlich die meisten.
    In den nächsten Tagen waren die Wächter die einzigen Menschen, die er sah. Keiner sprach mit ihm, alles geschah wortlos.
    Anfangs hatte er tagsüber viel geschlafen und sich langsam erholt. Aber je kräftiger er wurde, umso mehr machte ihm die Enge

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