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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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erstirbt er. Sonnenlicht bricht sich in der Klinge. Sein Körper handelt, bevor sein Verstand sich rührt. Niemals wird er erfahren, ob der Mann ihn wirklich kannte.
    Ein Ruck geht durch sein Schiff. Schiff? Bin ich wieder auf dem Schiff? Gebrüll. Die Kaperfahrer. Alles in ihm spannt sich an. Er greift zum Messer.
    »Nej! De vil slå dig ihjel.« 1 Die Frau fällt ihm in den Arm. Aber soll er kampflos zusehen? Sich abschlachten lassen? Einer der Seeräuber stürzt auf die Frau zu. Er stellt sich ihm in den Weg. Er wird sie schützen, um jeden Preis.
    Wasser, so kalt, dass es ihm den Leib zerreißt. Wellen peitschen über seinen Kopf. Die Frau hängt schlaff in seinen Armen, ihr nasses blondes Haar fällt ihm in die Augen, raubt ihm jede Sicht. Ich darf nicht loslassen! Niemals loslassen. Eine Welle schwappt über ihn hinweg. Salzwasser rinnt in seine Kehle. Er hustet, ringt nach Luft. Versucht, mit seiner Last zu schwimmen. Ich werde dich niemals loslassen! Er kämpft, strampelt, will gegen den tödlichen Sog schwimmen, doch alles zieht ihn in die Tiefe, ihr Gewicht, seine vollgesogenen Kleider. Wellen schlagen über ihm zusammen. Seine Lungen brennen. Immer weiter zieht es ihn nach unten.
    Schweißgebadet schreckte er aus seinem Traum hoch. Da war sie wieder, die geheimnisvolle Frau. Warum wollte sie nicht, dass er kämpfte? Er hätte sie besiegt. Sie alle. Wenn sie ihn nur gelassen hätte.
    Er atmete tief durch, fand nur langsam in die Gegenwart zurück. War das in jener Nacht geschehen? War sein Schiff doch von Kaperfahrern aufgebracht worden?
    Draußen war es noch dunkel. Er stand auf und öffnete die Fensterläden. Ein schmaler roter Streif kündigte den baldigen Tagesanbruch an. Noch Zeit genug, sich wieder hinzulegen. Aber er wusste, dass er keine Ruhe mehr finden würde. Seit gestern stürmten immer mehr Bilder auf ihn ein, doch nach wie vor war nichts wirklich greifbar. War sein Vater Deutscher? Er wusste es nicht. Seine Mutter war Dänin, das schien sicher.
    Die Nachtluft strich ihm angenehm kühl über die Haut. Er atmete tief durch, versuchte, seine Gedanken zu ordnen, so ähnlich, wie Hinrich es tags zuvor getan hatte.
    Diese Frau. Sie waren gemeinsam auf dem Schiff gewesen. Welches Ziel? Wieder nur Leere. Kaperfahrer hatten sie angegriffen. Irgendwie waren sie über Bord gegangen. War er bei dem Überfall verwundet worden? Aber warum nur er? Warum waren die toten Seeleute allesamt unversehrt?
    In der Diele hörte er Schritte. Marieke? Die junge Magd stand immer vor Sonnenaufgang auf. Er goss sich Wasser in die Waschschüssel auf dem kleinen Tisch. Ein gutes Gefühl, sich endlich wieder wie ein Mensch pflegen zu können. Dann zog er sich an und ging in die Küche.
    Es war nicht Marieke. Am Küchentisch saß ein Mann, den er noch nie gesehen hatte.
    »Guten Morgen«, grüßte der Fremde ihn. »Ich nehme an, Ihr seid Erik?«
    »Guten Morgen«, erwiderte er und nickte. »Und wer seid Ihr?«
    »Ich bin Kalle.«
    Kalle? Der Name sagte Erik nichts. Aber er konnte nicht alle Freunde des Hauses kennen. Wenn dieser Mann denn ein Freund war. Das Erlebnis vom Tag zuvor steckte ihm noch in den Knochen, und ein kurzer Blick zeigte ihm, dass Kalle ein nicht zu unterschätzender Gegner gewesen wäre. Er hatte breite Schultern und kräftige Oberarmmuskeln. In seinem Gürtel steckte ein Messer, fast so lang wie ein Schwert. Allerdings saß er ganz entspannt am Tisch, nichts deutete auf Angriff hin.
    »Wollt Ihr Euch nicht zu mir setzen?«
    »Gern.« Erik folgte der Aufforderung, blieb aber wachsam. »Ich habe bislang nichts über Euch gehört, aber Ihr über mich.«
    »Wer hätte das nicht?« Kalle lächelte ihn gutmütig an. »Ich komm von drüben, von Fehmarn. Ab und an bin ich hier. War ich auch an dem Tag, als Ihr gefunden wurdet. Marieke hat’s mir erzählt. Ich hoff ja, dass sie mir bald gut ist. Ich mein, so gut, dass sie meinen Antrag annimmt.« Er zwinkerte Erik zu.
    »Also ist sie Eure Braut?«
    »Na, das darf ich nicht laut sagen, sonst setzt’s was. Aber wenn’s nach mir ginge, dann schon.«
    »Und deshalb treibt Ihr Euch schon vor Sonnenaufgang hier herum?«
    »Ne, doch nicht deshalb. Aber es gibt so manches Tagewerk, das man besser nachts erledigt.«
    Er zeigte auf einen Sack in der Ecke der Küche.
    »Englisches Tuch. Zollfrei.« Er grinste. »Das ist unsere Art, uns gegen den dänischen König zu wehren.«
    »Ihr seid ein Schmuggler?«
    »Sagen wir lieber: ein freischaffender Zwischenhändler.« Kalle

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