Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)
Seyfried gesehen? Der hat wohl ’n Goldschatz gefunden. Lief gestern wie so ’n Gockel in feine Kleider rum und hat die Gäste der Seejungfrau die halbe Nacht freigehalten«, sagte Kalle.
»Stimmt, ich habe ihn gestern früh gesehen«, bestätigte Erik. »Aber was schert’s mich? Ich bin froh, wenn ich nichts mit ihm zu schaffen habe.«
»Das ist die richtige Einstellung«, lobte Hinrich. »Seyfried macht nur Ärger. Am besten, man beachtet ihn gar nicht.«
»Ich mein ja nur.« Kalle nahm sich einen Becher mit frischer Milch und stürzte den Inhalt in einem Zug hinunter. »Wenn einer, der seinen Hof kaum halten kann, plötzlich so mit’m Geld prasst, kann da was nicht stimmen.«
»Seit wann hat er denn so viel Geld?«, fragte Brida und setzte sich zu den Männern an den Tisch.
Kalle hob die Schultern. »Angeblich seit einer Woche.«
»Das ist wirklich seltsam.«
»Deern, was machste dir darüber ’n Kopf? Sei froh, wenn der Seyfried sein Auskommen hat, dann hört er auf, dir nachzustellen.«
»Das würd ich ihm auch so abgewöhnen.«
Sie hielt inne, als jemand an die Haustür pochte. Marieke lief hinaus und kehrte kurz darauf mit Hauptmann Willem zurück.
»Guten Morgen«, grüßte er. »Tut mir leid, wenn ich so früh störe, aber ich muss noch etwas mit Erik klären.«
Brida sah, wie sich Eriks Wangenmuskeln anspannten. Für einen kurzen Moment glaubte sie wieder, diesen gehetzten Raubtierblick wahrzunehmen.
»Worum geht es?«, fragte er scheinbar gelassen.
»Um den Toten.« Willem zog sich einen Schemel heran. Kalle rückte mit seinem Stuhl ein Stück zur Seite, damit der Hauptmann Platz am Tisch fand. »Ich habe etwas über ihn herausgefunden.«
»Und?« Inzwischen gab Erik sich keine Mühe mehr, seine Erregung zu verbergen.
»Das ist so ’ne Sache.« Willem strich sich übers Haar. »Ich hab ihn mir noch mal genau angesehen. Der Kerl war als Fälscher und Dieb gebrandmarkt. Trug auf der rechten Schulter das lübsche Schandmal. Ein Ausgestoßener. Und wie der Zufall so spielt – einer meiner Leute hat ihn tatsächlich erkannt. Er gehörte zu dem Raubgesindel, das die Straßen zwischen Heiligenhafen und Oldenburg unsicher macht.«
»Ist Euer Mann seiner Sache ganz sicher?«, fragte Erik nach.
»Ja. Wir haben vor ein paar Monaten einen Köder ausgeworfen. Ein schwer bepackter Wagenzug, scheinbar leichte Beute. Aber meine Männer hatten sich unter den Wagendecken versteckt. Es sind nur wenige Räuber entkommen. Der, den Ihr getötet habt, war einer davon. Mein Mann wollte ihn halten und hat den Kerl mit dem Messer am linken Oberarm getroffen, ehe der sich losreißen konnte. Und genau an der Stelle hat der Tote eine Narbe.«
»Und welchen Schluss zieht Ihr daraus?«
»Ihr seht mich gerade so an, als tätet Ihr glauben, ich würd Euch verdächtigen, mit dem Räuberpack gemeinsame Sache gemacht zu haben.« Willem lachte.
»Bei allem, was ich in dieser Stadt schon erlebt habe, würde mich eine derartige Schlussfolgerung nicht wundern«, gab Erik unumwunden zu. »Aber nun sagt, was denkt Ihr wirklich, Hauptmann?«
»Irgendwer hat den Mann angeheuert, um Euch zu töten.«
»Aber warum?«
Willem hob die Schultern. »Das weiß ich nicht. Aber es ist die einzig vernünftige Erklärung. Das wollt ich Euch nur sagen. Seid auf der Hut. Eure Feinde wissen anscheinend doch, wo Ihr Euch aufhaltet.«
»Hast du schon mit dem Stadtrat darüber gesprochen, Willem?«, fragte Hinrich.
Willem schüttelte den Kopf. »Ich wollte ihn damit nicht belästigen. Er ist heut nicht ins Rathaus gekommen. Seiner Frau geht’s wieder schlechter.« Er wollte sich gerade erheben und gehen, als Erik ihn zurückhielt.
»Noch auf ein Wort, Herr Hauptmann. Ihr glaubt also, ich hätte Feinde, die mir einen gedungenen Mordbuben auf den Hals hetzen. Was sagt Euch Eure Erfahrung? Wo mögen die Feinde sitzen? Ihr wisst, dass mir immer noch nicht klar ist, ob ich Däne oder Deutscher bin.«
»Glaubt Ihr, der Arm der Dänen reicht so weit, einen dahergelaufenen Straßenräuber aus dem lübschen Umland anzuheuern?«
Erik erwiderte kein Wort.
»Wenn ich an Eurer Stelle wär, Erik, würd ich drum beten, möglichst bald mein Gedächtnis wiederzufinden, denn wer weiß, ob Eure Feinde noch mal so einen Stümper schicken.«
Brida schlug das Herz bis zum Hals.
»Was sagt Ihr da, Willem? Ihr glaubt, es könnte einen zweiten Anschlag geben?«, fragte sie.
»Ich will Euch keine Angst machen, Brida, aber ja, genau das glaube ich.
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