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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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»Ich hab da schon manch andres Gerücht gehört, nur dass sie die Finger von Hanseschiffen lassen.«
    »Auf jeden Fall sind sie die Einzigen, die uns schnell ein Schiff zur Verfügung stellen könnten«, sagte Kalle. »Und darum ging’s doch, oder?«
    »Und wo ist die Burg?«, fragte Erik.
    »Sie steht am andern Ende der Insel, mit Blick auf den Sund. Ein guter Ort, um Schiffe rechtzeitig auszuspähen und abzufangen.«
    »Also doch Seeräuber?« Erik grinste. »Glaubt Ihr wirklich, die bringen uns mit einem ihrer Schiffe nach Lübeck?«
    Kalle trank einen Schluck Bier. »Wenn man sie richtig fragt«, erwiderte er und wischte sich den Schaum von den Lippen. Das schalkhafte Blitzen in seinen Augen verwirrte Erik ebenso wie Hinrichs Stirnrunzeln. Doch niemand widersprach dem Schmuggler. Es schien beschlossene Sache zu sein.
    Wasser, so kalt, dass es ihm den Leib zerreißt. Wellen peitschen über seinen Kopf. Die Frau hängt schlaff in seinen Armen, ihr nasses blondes Haar fällt ihm in die Augen, raubt ihm jede Sicht. Ich darf nicht loslassen! Niemals loslassen. Eine Welle schwappt über ihn hinweg, Wasser dringt ihm in Mund und Nase. Er hustet, ringt nach Luft. Versucht, mit seiner Last zu schwimmen. Ich werde dich niemals loslassen! Er kämpft, strampelt, schwimmt gegen den tödlichen Sog an, doch alles zieht ihn in die Tiefe, ihr Gewicht, seine vollgesogenen Kleider. Wellen schlagen über ihm zusammen. Seine Lungen brennen. Immer weiter zieht es ihn nach unten. Niemals loslassen! Seine Lungen schreien nach Luft, wollen ihn zwingen, Atem zu holen. Nein! Er darf nicht atmen. Atmen bedeutet den Tod. Das Sonnenlicht bricht sich in der Wasseroberfläche über ihm, entfernt sich immer weiter. Helle Funken tanzen ihm vor den Augen. Sieht so der Tod aus? Noch immer umklammert er den schlaffen Leib der Frau, kämpft, versucht, mit ihr nach oben zu schwimmen. Immer weiter zieht sie ihn hinab. Plötzlich wird der Drang zu atmen übermächtig. Noch ehe er weiß, was er tut, lässt er sie los. Nein! Niemals loslassen! Doch die Stimme seines Gewissens wird stumm angesichts des eigenen Todes. Er durchbricht die Wasseroberfläche. Keinen Augenblick länger hätte er die Gier nach Luft unterdrücken können. Nur einen Wimpernschlag länger, und sein Körper hätte das tödliche Wasser in die Lungen eingesogen. Er holt tief Luft, immer wieder, trinkt sie gierig. Luft bedeutet Leben. Er wird leben. Doch sie ist tot … Er hat sie getötet. Weil er nicht stark genug war …
    »Was ist mit Euch?« Ein erschrockener Ausruf weckte ihn. Noch während er in die Gegenwart zurückkehrte, hörte er, wie jemand den Vorhang seines Alkovens aufriss. Brida stand vor ihm, nur im Hemd, das lange Haar ungeordnet, als sei auch sie gerade aus dem Schlaf aufgeschreckt.
    »Was … was soll mit mir sein?«, fragte er verwirrt und setzte sich aufrecht hin. Irgendwo raschelte ein weiterer Vorhang.
    »Ihr habt im Schlaf geschrien. Ich dachte schon, wer weiß was sei geschehen.«
    Er schluckte. »Es tut mir leid. Ich … hatte nur einen schlechten Traum.«
    Sie setzte sich auf die Kante seines Betts. »Wollt Ihr darüber sprechen?« Er sah die Sorge in ihren Augen. Nein, nicht Sorge. Eher Fürsorge. Dennoch schüttelte er den Kopf.
    »Es ist schon gut, Brida.«
    »War es wieder die Frau?«, fragte sie unbeirrt weiter. Konnte sie Gedanken lesen?
    »Ja«, sagte er leise. »Es war wieder der alte Traum. Aber diesmal ging er weiter.«
    »Ihr habt sie losgelassen, nicht wahr?« In ihrer Stimme lag kein Vorwurf. Es war nur eine Feststellung. Gleichwohl fühlte er sich schuldig.
    »Woher wisst Ihr es?«
    »Euer Schrei war voller Verzweiflung.« Sie legte ihm eine Hand auf den Arm. »Aber es war nur ein Traum. Niemand weiß, ob es wirklich geschehen ist.«
    »Es ist geschehen«, beharrte er.
    »Dann wisst Ihr wieder, wer die Frau war?«
    »Nein. Aber es ist geschehen. Nur nicht in der Nacht, als die Smukke Grit unterging.«
    Er erzählte ihr von den Unvereinbarkeiten seiner Erinnerungen. »Versteht Ihr, damals wurde das Schiff geentert. Wir gingen über Bord. Es war helllichter Tag, das Meer war ruhig.«
    »Dann ist es eine alte Erinnerung, die sich immer wieder in Euer Bewusstsein schiebt. Eine schmerzhafte Erinnerung.«
    Erik nickte.
    »Wie alt mögt Ihr damals gewesen sein?«
    Wie alt? Darüber hatte er sich nie Gedanken gemacht. Im Gegensatz zu den anderen Bildern hatte er keine Vorstellung davon, ob er ein Kind oder ein Mann gewesen war. Die Furcht, die

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