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Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Schicksalsstürme: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Metzenthin
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die ihn in die Tiefe zog?
    Nach dem dritten Krug Bier beschloss er, an diesem Abend nur noch Wasser zu trinken, damit er sich zu keiner Handlung hinreißen ließ, die er später bereuen würde.
    Je länger der Abend wurde und die Nacht sich hinzog, umso lustiger wurden die vorgetragenen Geschichten. Die meisten vergaß Erik, kaum dass er sie gehört hatte. Bis einer der Männer, Joachim, ihn unvermittelt ansprach.
    »Euer Schiff ist hier im letzten Monat im Sturm gesunken? War das so ’n Kraier?«
    Erik nickte. »Habt Ihr etwas davon mitbekommen?«
    »Klar, der Kanonendonner war ja nicht zu überhören. Jedenfalls nicht, wenn man sich am Belt rumtreibt, um Geschäfte vorzubereiten.« Er grinste.
    »Kanonendonner?« Schlagartig war Erik stocknüchtern. »Wie kommt Ihr darauf, dass es eine Seeschlacht war?«
    »Na, ich hab’s doch gesehen.« Joachim schenkte sich ein weiteres Bier ein. »Ich war kurz vor Morgengrauen noch draußen, um nach der Ware zu sehen. Du weißt ja«, sagte er mit Blick zu Kalle hinüber. »Wenn die Grube vollläuft, verdirbt das Zeug. War aber alles gut. Ich wollt dann wieder rein, und da hat’s gedonnert. Hab erst gedacht, es wär ’n Gewitter, aber dann hab ich das Blitzen der Geschütze und die Schiffslichter gesehen. Mann, das war vielleicht ’n Riesenkriegsschiff, das kann ich euch sagen. Hätte nicht gedacht, dass die Dänen für so ’n kleinen Kraier so ’n gewaltigen Pott losschicken. Der Kraier hatte schon arge Schlagseite, aber sie haben immer weiter draufgefeuert, bis das Schiff ganz und gar zerstört war. Die wollten keine Überlebenden.«
    Auf einmal war es totenstill geworden.
    »Warum haste das nicht früher erzählt?«, brach Kalle das betretene Schweigen.
    »Ja, wann denn wohl?«, fragte Joachim zurück. »Ich bin doch erst seit zwei Tagen zurück. Und woher hätt ich wissen sollen, dass dich die Sache kümmert?«
    Kalle nickte. »Hast ja recht. Aber sag, auf welchem Kurs lag der Kraier? Konntest du das sehen?«
    »Na klar. Der segelte Richtung Lübecker Bucht. Beim ersten Morgenlicht hat er noch versucht, den Kurs zu wechseln, um den Verfolger abzuschütteln. Genützt hat’s ihm nichts, als Nächstes fiel der Mast, und dann war’s aus.«
    »Das Schiff wurde versenkt, nicht geentert?«, fragte Erik nach.
    »Da war nix mehr zum Entern, als die mit dem Schiff fertig waren.«
    Versenkt, aber nicht geentert.
    »Nej! De vil slå dig ihjel«. 3 Die Frau fällt ihm in den Arm. Aber soll er kampflos zusehen? Sich abschlachten lassen? Einer der Seeräuber stürzt auf die Frau zu. Er stellt sich ihm in den Weg. Er wird sie schützen, um jeden Preis.
    Wieder dieser Erinnerungsblitz, den er schon so oft gesehen hatte. Nicht geentert. Nur zerstört. In der Nacht. Im Sturm. Das andere Bild zeigte ihm den helllichten Tag. Sie wurden geentert. Die Frau in seinen Armen. Er wollte sie retten. Ihr Gewicht zog ihn in die Tiefe. Aber das Meer war ruhig. Die Sonne schien. Irgendetwas stimmte nicht. War die Frau eine Erinnerung aus einer anderen Zeit? Oder nur ein Traumgespinst?
    »Die Geschichte wird ja immer unheimlicher«, hörte Erik Hinrich sagen. »Erik, ich wüsst zu gern, was Ihr in Dänemark ausgefressen habt.« Der Kapitän zwinkerte ihm gutmütig zu.
    »Ihr glaubt nicht, wie gern ich es erst wüsste«, antwortete er. Nur langsam vermochte er seine Gedanken zu ordnen.
    »Wir müssen nach Lübeck«, sagte Brida. »Da finden wir’s raus.«
    Erik nickte, dankbar, dass ihre Überlegungen ihn ganz in die Gegenwart zurückholten.
    »Aber wie?«, fragte er. »Mit dem Ruderboot ist das nicht zu schaffen.«
    »Fragen wir doch Helmar«, schlug Kalle vor. »Der hat Schiffe.«
    »Das halte ich für gewagt«, warf Hinrich ein. »Die Vitalienbrüder tät ich gern raushalten, den’ trau ich nicht über ’n Weg.«
    »Vitalienbrüder?«, hakte Erik nach. Erstaunlich, wen Kalle alles kannte.
    »Ja, die leben auf Burg Glambeck, um die Insel vor den Dänen zu schützen. Schon seit ein paar Jahren, seit der Graf von Holstein sie zu Hilfe holte«, klärte Hinrich ihn auf. »Aber auch wenn sie auf unserer Seite stehen, ich trau keinem, der seinen Lebensunterhalt mit Überfällen bestreitet.«
    »Na ja, das tun sie schon eine Weile nicht mehr«, beschwichtigte Kalle. »Und wenn’s gegen die Dänen geht, helfen sie uns bestimmt. So ’ne kleine Fahrt nach Lübeck ist doch nix für die.«
    »Na, ob die man wirklich keine Überfälle mehr auf Kauffahrer begehen?« Hinrich wiegte nachdenklich den Kopf.

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