Schicksalstage - Liebesnächte (German Edition)
wollte doch, dass er wieder ging. Warum also fühlte sie sich, als hätte sich gerade eine Falltür unter ihrem Stuhl aufgetan? „Also, warum?“
„Weil ich Feinde habe. Einer von ihnen hat eine Stinkwut auf mich. Er will eine alte Rechnung mit mir begleichen, und ich will nicht, dass dir oder sonst jemandem in Stone Creek etwas zustößt. Ich hätte mit das besser überlegen sollen, bevor ich hergekommen bin. Aber ich konnte nur noch daran denken, dich zu sehen.“
Die Erklärung ging ihr unter die Haut. Sie sehnte sich danach, seine Hand zu nehmen, doch sie hielt sich zurück. „Warum ist er so sauer auf dich?“
„Ich habe ihm seine Tochter gestohlen.“
Ashley öffnete den Mund und schloss ihn gleich wieder.
„Sie heißt Rachel und ist sieben Jahre alt. Ihre Mutter Ardith hat ein Semester in Venezuela studiert und sich dort mit einem Amerikaner namens Chad Lombard eingelassen. Ihre Eltern haben herausgefunden, dass er mit Drogen dealt, und sie nach Phoenix zurückgeholt. Sie war schwanger. Sie sollte abtreiben, hat sich jedoch geweigert. Sie war felsenfest überzeugt, dass Lombard sie zu sich zurückholen und heiraten würde.“
„Aber das hat er nicht getan?“
„Nein. Also hat sie ihr Studium beendet, eine sogenannte gute Partie geheiratet, zwei weitere Kinder bekommen. Ihr Ehemann will Rachel adoptieren. Deshalb soll Lombard auf seinen Anspruch verzichten. Aber er besteht darauf, Rachel selbst aufzuziehen, und hat großmütig angeboten, auch Ardith zurückzunehmen, wenn sie sich scheiden lässt und auf die beiden anderen Kinder verzichtet.“
„Offensichtlich ist sie nicht darauf eingegangen.“
„Natürlich nicht. Eine ganze Weile hat sich nichts getan, aber dann ist Rachel eines Tages aus dem Garten verschwunden. Noch am selben Abend hat Lombard angerufen und erklärt, dass die Polizei gar nicht erst nach dem Kind zu suchen braucht, weil er es bereits aus dem Land geschafft hätte.“
Obwohl Ashley keine Mutter war, konnte sie sich gut vorstellen, wie verzweifelt die Familie gewesen sein musste. „Und du bist angeheuert worden, um Rachel zurückzuholen?“
„Ja.“ Jack sah Bewunderung in ihren Augen und wehrte ab: „Aber komm bloß nicht auf die Idee, dass ich ein Held bin. Mir wurde eine Viertelmillion Dollar dafür angeboten, Rachel unversehrt nach Hause zu bringen, und ich habe nicht gezögert, das Geld anzunehmen.“
„Ich habe nirgendwo etwas davon gehört“, murmelte sie.
„Das kannst du auch nicht. Die Story muss von den Medien ferngehalten werden. Rachels Leben hängt davon ab, und meins erst recht.“
„Hast du gar keine Angst?“
„Und ob! Sogar panische Angst.“
Sie sah ihm an, dass er erschöpft war von der langen Erklärung. Obwohl er das Frühstück zur Hälfte aufgegessen hatte, war er immer noch blass. Sanft schlug sie vor: „Du solltest dich wieder hinlegen.“
„Ich glaube nicht, dass es mir gelingt, die Treppe hinaufzusteigen.“
Sie spürte, dass ihm dieses Eingeständnis schwerfiel. „Du versuchst nur, dich vor der Blümchentapete zu drücken“, scherzte sie, obwohl sie den Tränen nahe war. Sie half ihm auf die Füße. „In meiner Nähstube steht ein Bett. Da kannst du dich ausruhen, bis du dich kräftiger fühlst.“ Sie duckte sich unter seine Schulter und stützte ihn, während sie ihn aus der Küche führte.
Trotz der Anstrengung, die ihn das Gehen kostete, brachte Jack ein Grinsen zustande. „Du bist sehr stark für eine Frau.“
„Vergiss nicht, dass ich auf einer Ranch aufgewachsen bin. In der Erntezeit musste ich immer Heuballen aufladen.“
Ein Anflug von Respekt trat in seine Augen. „Du hast ganze Heuballen geschleppt?“
„Na klar.“ Sie erreichten die Nähstube, und Ashley öffnete die Tür. „Du nicht?“
„Machst du Witze? Mein Vater ist Zahnarzt. Ich bin in einer vornehmen Vorstadt aufgewachsen. Da war meilenweit weder Feld noch Wiese in Sicht.“
Diese Information war neu für sie. Sie wusste nichts über seine Herkunft. Er hatte bisher nie von seiner Familie gesprochen. Deshalb war sie davon ausgegangen, dass er keine Angehörigen hatte. „Wie lautet deine Berufsbezeichnung eigentlich genau?“
Er fixierte sie mit einem langen harten Blick. „Söldner.“
„Steht das in deiner Steuererklärung unter Berufstätigkeit ?“
„Nein.“
Sie erreichten das schmale Bett. Sie half ihm, sich hinzulegen, und deckte ihn zu. „Du reichst doch Steuererklärungen ein, oder?“
Jack lächelte mit geschlossenen Augen.
Weitere Kostenlose Bücher