Schicksalstage - Liebesnächte (German Edition)
Seine Augen brannten so stark, dass er einige Male blinzeln musste, bevor er den Text lesen konnte.
Sie war zu Hause gestorben, umgeben von Familie und Freunden. Ihr Ehemann und ihre Söhne hatten statt Blumen um Spenden an eine berühmte Stiftung gebeten, die sich dem Kampf gegen Brustkrebs widmete.
Jack atmete tief durch, bis er seine Emotionen wieder einigermaßen im Griff hatte. Dann, wider besseres Wissen, griff er zum Telefon und wählte aus dem Gedächtnis eine Nummer.
„Residenz Dr. McKenzie“, antwortete eine Frauenstimme.
Einen Moment lang brachte er keinen Ton heraus.
„Hallo? Ist da jemand? Hallo?“
Schließlich fand er seine Stimme wieder. „Mein Name ist … Mark Ramsey. Ist der Doktor da?“
„Tut mir leid. Mein Mann ist auswärts, bei einer Tagung. Aber einer seiner Söhne kann Sie behandeln, falls es sich um einen Notfall handelt.“
„Nein, danke“, sagte er und legte auf.
Er stand auf, trat an das Fenster, blickte hinaus auf die Straße. Ein blauer Pick-up fuhr vorüber. Das Haus gegenüber verschwamm vor seinen Augen.
All die Jahre über hatte er sich vorgestellt, dass seine Mutter sein Grab in Arlington besuchte, ein bisschen weinte und den heroischen Tod ihres Erstgeborenen betrauerte, bevor sie die Schultern straffte und sich abwandte. Dabei lag sie selbst in einem Grab.
Er hob eine Hand, rieb sich die Augen mit Daumen und Zeigefinger.
Wie lange mochte sein Vater nach dem Tod seiner ersten Frau mit der erneuten Heirat gewartet haben? Was für ein Mensch war die neue Mrs McKenzie? Mochten Dean, Jim und Bryce sie?
Jack sehnte sich danach, Ashley anzurufen und ihre Stimme zu hören. Aber was sollte er sagen? Hi, ich habe gerade herausgefunden, dass meine Mutter vor drei Jahren gestorben ist? Er war sich nicht sicher, ob er den Satz aussprechen konnte, ohne die Fassung zu verlieren.
Er entfernte sich vom Fenster. Es hatte keinen Sinn, sich zur Zielscheibe zu machen. Die Nacht wurde dunkler, kälter und einsamer.
Dennoch machte Jack kein Licht. Er ging auch nicht in die Küche, um den Kühlschrank zu plündern, obwohl er seit dem Frühstück keinen Bissen zu sich genommen hatte.
Er hatte schon viel gewartet in seinem Leben. Auf den geeigneten Moment, um ein Kind, einen Diplomaten oder einen reichen Geschäftsmann zu befreien, der in Geiselhaft gehalten wurde. Einmal hatte er mit unzähligen Knochenbrüchen darauf gehofft, selbst gerettet zu werden.
Diesmal fiel ihm das Warten schwerer denn je zuvor.
Plötzlich klingelte das Wegwerfhandy.
Er zuckte zusammen. Schweiß brach ihm auf der Oberlippe aus. Fieberhaft überlegte er, wer der Anrufer sein könnte. Nicht Vince, denn der sollte sich über Ashleys Festnetz melden. Nicht Ardith. Er hatte ihr untersagt, diese Handynummer zu benutzen – für den Fall, dass ihre Leitung abgehört wurde. Nicht das FBI. Es rief ihn nicht an, um mit ihm zu plaudern. Es setzte eigene Methoden zur Kontaktaufnahme ein.
Mit angehaltenem Atem drückte Jack die Sprechtaste, aber er sprach nicht.
„Ich werde dich finden“, drohte Chad Lombard.
„Ich kann es dir leicht machen.“
„Ach ja? Wie denn?“
„Wir vereinbaren Ort und Zeit für ein Treffen und beenden die Sache – so oder so.“
Lombard lachte. „Ich muss verrückt sein, aber mir gefällt die Idee. Es klingt so aufregend wie das Duell in Zwölf Uhr mittags . Aber woher soll ich wissen, ob du allein kommst und nicht mit einem Schwarm Agenten vom FBI und Drogenschutz?“
„Woher soll ich wissen, ob du allein kommst?“
„Ich schätze, wir müssen einander vertrauen.“
„Ganz genau. Wann und wo?“
„Ich melde mich noch“, erwiderte Lombard gelassen. „Übrigens habe ich dich eigentlich schon erledigt. Das Gift – zum Glück hat der Dschungel in dieser Hinsicht so einiges zu bieten und meine Drogenlabore sind, was gewisse lebensbedrohliche Substanzen betrifft, wahre Schatzkammern – müsste inzwischen bis in dein Knochenmark vorgedrungen sein und deine roten Blutkörperchen auffressen. Trotzdem möchte ich dabei sein und zusehen, wie du endgültig den Geist aufgibst, Robocop .“
Jacks Magen verkrampfte sich, aber er brachte es fertig, in ruhigem Ton zu sagen: „Ich warte darauf, von dir zu hören.“
7. KAPITEL
Übrigens habe ich dich eigentlich schon erledigt …
Die Worte hallten in Jacks Kopf wider wie ein schriller unaufhörlicher Alarm. Sein Instinkt sagte ihm, dass die Behauptung der Wahrheit entsprach, obwohl Lombard ein notorischer Lügner war.
Jack
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