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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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einem
deutschen. Ihr Fall würde nicht über diesen übervollen Schreibtisch wandern.«
    »Neben dem Ärger mit den Engländern würde ich auch disziplinarische
Probleme mit meiner eigenen Behörde bekommen.«
    »Hier«, der Staatsanwalt lächelt dünn, »ließe sich vielleicht etwas
machen.«
    Stave lehnt sich nach vorne. »Ich muss es in dieser Nacht
riskieren«, sagt er eindringlich.
    »Warum diese Eile?«
    »Weil die ›Leland Stamford‹ morgen früh ablegt. Weil mein englischer
Freund sonst sehr unglücklich werden wird. Und ein deutsches Mädchen auch.«
    Ehrlich lächelt wehmütig. »Cherchez la femme. Es ist immer wieder
das gleiche romantische Motiv. Zumindest bei einem gewissen Typ von
Gesetzesbrecher. Bei anderen«, er klopft auf die Akten vor sich, »spielten
Frauen nicht gerade eine wichtige Rolle.«
    Und welche Rolle spielen Frauen bei dir? Stave wagt es nicht, das
laut auszusprechen. Hoffentlich denkt der Staatsanwalt bei seinen Worten nicht
an Anna. Doch der Staatsanwalt wedelt wieder eine Fliege fort. »Also gut: Sie
und Ihr englischer Freund, dessen Namen Sie mir nicht verraten, dessen
Identität ich mir jedoch denken kann, riskieren diese Nacht Ihre Karriere. Und,
da die Herren Schmuggler normalerweise allergisch darauf reagieren, wenn man
ihre Kreise stört, so riskieren Sie auch Ihren Hals. Letzteren kann ich nicht
schützen, darauf müssen Sie schon selbst aufpassen. Was Ihre Karriere angeht:
Wenn man Sie schnappt, rede ich mit meinen englischen Freunden. Sie sind
zahlreicher als Ihre und sitzen auf höheren Positionen, was gewisse Dinge
erleichtert. Ich denke, dass ich in dem Fall, dass man Sie ertappt, es so weit
hinbiegen kann, dass Sie zur Schutzpolizei versetzt werden. Streifendienst für
den Rest Ihres Lebens. Immer noch besser, als seinen Beamtenstatus zu
verlieren.«
    »Heute ist mein Glückstag«, erwidert Stave. Er will sich erheben,
doch Ehrlich bedeutet ihm mit einer Geste, noch sitzen zu bleiben.
    »Was, glauben Sie, ist auf den Tonbändern verzeichnet, die Ihr
Schmuggler unbedingt außer Landes schaffen will?«
    »Ich weiß es nicht«, erwidert er vorsichtig und nicht ganz
wahrheitsgemäß. »Ich habe sogar lange gedacht, die Bänder sind leer. Warum
sollte sich jemand für bereits bespielte Bänder interessieren?«
    Der Staatsanwalt folgt seinen Augen und nickt ein wenig spöttisch.
»Sie besitzen selbstverständlich kein Tonbandgerät, Herr Oberinspektor, das
entschuldigt Ihre Überlegungen. Aber leere Bänder sind doch bloß so etwas wie
ein Rohstoff – erst bespielte Bänder werden einzigartig und wertvoll. Bespielt
zum Beispiel«, er macht eine Kunstpause, »mit belastendem Material aus dem
Dritten Reich?«
    »Daran habe ich schon gedacht«, gibt Stave nun zu. »Aber was sollte
das sein? Verhörprotokolle? Soweit ich weiß, hat die Gestapo niemals ihre
Kellerverhöre auf Tonbändern aufgenommen.«
    »Reden?«, schlägt der Staatsanwalt vor. »Damals haben Politiker,
Beamte, Wirtschaftskapitäne Dinge verkündet, die ihnen heute, sagen wir:
peinlich sind.«
    Der Oberinspektor denkt an Rudolf Blohm und die Wochenschauen aus
der Zeit vor 1945. »Die Reden von früher müssen einem nicht unbedingt schaden.«
    »Erpressung? Die Tonbänder werden aus Deutschland geschmuggelt, um
jemanden später damit zu erpressen?«
    »Warum sollten Amerikaner dafür etwas bezahlen? Warum sollte das ein
Boxpromoter wie Walter Kümmel organisieren? Ich habe mich erkundigt: Kümmel war
nie in der Partei, hat nie irgendwelchen Ärger gehabt. Der war politisch unauffällig.
Jetzt ist er groß im Geschäft. Warum sollte der jemanden erpressen wollen?«
    »Das sind Fragen, die Sie vielleicht in wenigen Stunden beantworten
können. Ich drücke Ihnen die Daumen.«
    Stave starrt auf die Barlach-Lithografie der beiden Skelette an der
Bürowand. MacDonald und ich, denkt er. Dann wandern seine Überlegungen in eine
andere Richtung. Er deutet auf das Kunstwerk. »Hat Frau von Veckinhausen schon
ein paar von Ihren verschollenen Schätzen gehoben?«, fragt er und hofft, dass
seine Stimme beiläufig klingt.
    Wieder ein wehmütiger Blick. »So schnell wird das nicht gehen. Die
geraubten Bilder hängen ja nicht in irgendwelchen Museen. Ich hoffe aber, dass
Frau von Veckinhausen mit ihren«, er sucht nach dem richtigen Wort,
»Verbindungen zum Kunstmarkt, wie er heute ist, irgendwann auf das eine oder
andere Werk stößt, das einmal mein Auge erfreut hat.«
    »Sie stehen in regelmäßigem Kontakt?« Stave hält den

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