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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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nach
Entwicklerchemikalien.
    »Die Bilder des Jungen«, sagt Stave. »Darauf habe ich gewartet.«
    »Um Gott zum Lachen zu bringen?«
    »Ja. Unser Plan: Wir finden heraus, wer der Junge ist. Dann finden
wir seinen Mörder.«
    »Der Suchdienst in Altona. Mal wieder?«
    Der Oberinspektor nickt. »Wir haben keinen Namen. Wir haben keine
Papiere. Wir haben keine Vermisstenmeldung. Der Tote war wahrscheinlich ein
Herumstreuner. Ich habe beim Suchdienst angerufen und uns schon angemeldet. Der
Kollege dort klang wenig begeistert: Sie haben 40.000 elternlose Kinder in
Hamburg registriert. Für die Hälfte haben sie in den letzten zwei Jahren
irgendwo in den Besatzungszonen Eltern oder Verwandte aufgetrieben.«
    »Macht noch immer 20.000 elternlose Kinder.«
    »Darunter 600, die nicht einmal ihren eigenen Vornamen kennen. Die
Betreuer nennen sie ›Bärchen‹ oder ›Liebling‹.«
    MacDonald betrachtet das Polizeibild des Jungen, das sein Gesicht in
Großaufnahme zeigt. »Den hat garantiert niemand ›Bärchen‹ gerufen«, murmelt er.
»Der kannte seinen Namen.«
    »Die Frage ist, ob er ihn irgendwem genannt hat – oder ob er sich
nicht einen anderen Namen zugelegt hat.«
    »Illegale Geschäfte?«
    »Wir haben einen angespitzten Schraubenzieher bei ihm gefunden. Und
eine Packung Lucky Strike.«
    »Schwarzmarkt?«
    »Könnte sein. Viele Streuner arbeiten dort. Streitigkeiten unter
Schiebern enden oft in Gewalt. Aber nur selten im Hafen und niemals zuvor auf
der Werft. Was haben Schwarzhändler dort zu schaffen?«
    »Niemand außer Arbeitern und Militärpolizisten hat bei Blohm &
Voss etwas zu schaffen.«
    »Was die Ermittlungen vereinfacht, hoffe ich. Der Junge durfte nicht
dort sein. Finden wir heraus, warum er dort war, haben wir vielleicht schon ein
Motiv und möglicherweise sogar den Täter selbst. So viele Menschen treiben sich
auf der Werft nicht herum.«
    »Täuschen Sie sich nicht: Nach den Berichten unserer Militärpolizei
haben die Jungs dort jede Nacht zu tun: Plünderer, die in den Hafen eindringen,
um verwertbare Sachen zu suchen. Schmuggler, die alle möglichen Waren, von
Zigaretten über Gold bis zu Penicillin, von Schiffen herunterschaffen und auf
den Schwarzmarkt schleusen. Diebe, die alliierte Schiffe ausplündern oder die
Kühlräume deutscher Fischkutter, ist auch schon vorgekommen. Ein anderes Mal
hatten wir eine Bande, die sich auf CARE-Pakete spezialisiert hatte und
ausschließlich amerikanische Frachter knackte.«
    »Klingt nach Leuten, die genau wissen, was sie tun. Zwielichtige
Gestalten, aber keine Dummköpfe. Keiner von denen würde sich freiwillig in die
Nähe eines Blindgängers begeben.«
    »Wenn der Gewinn hoch genug ist, vielleicht schon.«
    »Möglicherweise haben wir es mit einem Wahnsinnigen zu tun, der sein
Opfer gerne auf eine Bombe legt. Oder es hat irgendetwas mit der Demontage von
Blohm & Voss zu tun.«
    »Wenn auf dem Blindgänger ein toter Militärpolizist liegen würde,
könnte ich dies eher glauben.«
    Stave fragt sich, ob die Militärpolizei oder MacDonald wissen, dass
die Arbeiter der Werft die Demontage sabotieren. »Gehen wir erst einmal zum
Suchdienst«, sagt er.
    In diesem Moment klopft es, Erna Berg steckt ihren Kopf durch den
Türspalt. »Ein Anruf von den Beamten der Wache 31: Sie haben vor ein paar
Stunden eine Vermisstenanzeige hereinbekommen. Ein Junge aus Barmbek, vierzehn
Jahre alt, trug zuletzt eine umgefärbte HJ-Uniformhose und dazu ein
Arbeiterhemd.«
    »Ich höre Gottes Lachen«, sagt MacDonald.
    »Wo steht die Wache?«, fragt der Lieutenant, als sie vor
der Kripo-Zentrale in seinen offenen Militärjeep steigen.
    »Barmbek-Süd. Fahren Sie bis zur Alster, ich lotse uns dann weiter.«
Dankbar lässt er sich in den harten Beifahrersitz fallen. »Bin ich erleichtert,
dass wir nicht stundenlang beim Suchdienst Karteikarten von namenlosen Kindern
durchsuchen müssen.«
    »Dort kennen Sie sich ja aus«, erwidert der Brite. Und nach einer
Pause: »Haben Sie etwas Neues von Ihrem Sohn gehört?«
    »Immer noch in Sibirien«, antwortet der Oberinspektor nur. Es macht
ihn verlegen, vor anderen Menschen über Karl zu sprechen, über seine
Erleichterung, ihn noch am Leben zu wissen. Über die Sorgen, dass ihm im Lager
doch noch etwas passieren mag. Und über die Unsicherheit, was wohl geschehen
könnte, wenn sein Sohn endlich wieder vor seiner Tür stehen wird – und ihn mit
einer neuen Frau vorfindet.
    Plötzlich kommt Stave ein beunruhigender Gedanke. »Wenn die

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