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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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zerstörten Haus seiner kürzlich
verstorbenen Eltern wohnt, die wiederum schon in den dreißiger Jahren ein
Telefon angeschafft hatten.
    Pech für ihn, denkt Stave und dreht die Wählscheibe. Eine lange
Minute später hat er den Beamten am Apparat. Der klingt, als sei er aus dem
Mittagsschlummer geweckt worden.
    »Hat Greta Boesel mal ein Ding gedreht?«, fragt Stave.
    »Nein.« Kein Zögern. Der Kollege mag verschlafen sein und schlechte
Laune haben, aber sein Namensgedächtnis ist bei den Krimsches legendär. »Keine
Kundin auf einem Schwarzmarkt, die uns bei einer Razzia mal in die Finger
geraten wäre. Ganz sicher keine Schieberin. Kein Schmuggel.«
    »Walter Kümmel?«
    »Der Box-Heini? Der braucht den Schwarzmarkt nicht, verdient auch so
genug. Warum fragen Sie mich nach denen?«
    »Ein schönes Wochenende noch«, antwortet Stave und lässt den Hörer
auf die Gabel fallen.
    Ihm kommt ein neuer Gedanke, er hebt noch einmal ab. MacDonald.
Nicht einmal jeder englische Offizier hat einen eigenen Anschluss, aber einer,
der für einen Geheimdienst arbeitet, schon. Langes Klingeln. Der Oberinspektor
lauscht auf das Tuten, auf Knistern und statisches Rauschen in der Leitung. Wie
ein Forscher, der ins Jenseits lauscht. Die Stimmen der Toten, irgendwo in
schwankenden Leitungen. Geistergespräche.
    Nimm dich zusammen, ermahnt er sich, will schon auflegen, als er,
den Hörer schon halb über dem Apparat, MacDonalds Stimme hört.
    »Ich bin es.«
    »Alter Junge, wollen Sie Ihre Sekretärin sprechen? Soll Erna ein
Diktat aufnehmen?«
    Stave weiß zwar, dass sie die meiste Zeit bei ihrem Liebhaber ist.
Aber er ist doch so fassungslos über MacDonalds Nonchalance, dass er einen
Augenblick um Worte ringt.
    »Es gibt nichts zu diktieren. Noch nicht. Ich wollte nur ein paar
Informationen haben, bevor ich eine kleine Erkundungsfahrt mache. Wissenslücken
stopfen. Haben Sie bei Ihren Kollegen nachgefragt? Ist die Boesel bei den
Engländern mal aufgefallen? Oder ihr Verlobter?«
    »Diese Lücke hätte ich Ihnen am Montag gestopft, so groß ist die
nicht. Der Kümmel – nie. Greta Boesel ist einmal in Niedersachsen in eine
Kontrolle geraten, als sie selbst am Steuer eines ihrer Lastwagen saß. Routine.
Die MPs haben ihr Fahrtenbuch überprüft. Keine Auffälligkeiten. Auch die Ladung
war in Ordnung. Sie hat übrigens eine Transportlizenz. Alles sauber. Die beiden
haben auch nie gegen den Curfew verstoßen, sind nie vor einem unserer
Schnellrichter gelandet.« Eine kleine Pause. »Welche Erkundungsfahrt wollen Sie
machen?«
    »Zu einem Kinderheim südlich von Hamburg. Wird eine Stunde Fahrt
sein, mindestens. Vielleicht hat einer der Jungen dort den Toten gekannt. Nur
eine vage Vermutung. Wollen Sie mit?«
    Stave lächelt hinterhältig. Du bist ein Jäger, mein Freund, denkt
er, du bist neugierig. Andererseits ist es Samstag und deine Geliebte liegt
neben dir.
    »Es reicht, wenn wir am Montag darüber reden«, antwortet MacDonald
schließlich. »Viel Glück bei der Fahrt.«
    Stave legt auf, nicht sicher, ob er enttäuscht sein soll, eine
Abfuhr bekommen zu haben – oder vielmehr erleichtert darüber, die Ermittlungen
so führen zu können, wie er sie am liebsten führt: alleine.
    Er holt sich bei der Fahrbereitschaft einen der alten
Mercedes ab. Bevor er losfährt, schraubt er den Tankdeckel auf, schnüffelt,
leuchtet vergebens mit einer Taschenlampe hinein. Der Mechaniker der
Kripo-Garage, der ihm gelangweilt zusieht, tritt näher.
    »Soll es weit weg gehen, Herr Oberinspektor? Haben Sie eine
Genehmigung der Tommies?«
    »Die brauche ich nicht«, antwortet Stave. Fahrten von Deutschen über
mehr als achtzig Kilometer vom Ausgangsort entfernt müssen von der britischen
Militärverwaltung genehmigt werden. Er vermutet, dass es bis zum Kinderheim um
die fünfzig Kilometer sein werden, zumindest, wenn die größeren Straßen bis jenseits
der Elbe wieder passierbar sind. Ein Fahrtenbuch muss Stave jedoch führen, wie
jeder Deutsche. Er trägt Namen, Datum, Uhrzeit und Zweck der Reise ein.
    »Ist nun genug Benzin im Tank oder nicht?«, fragt er dabei, ohne den
Mechaniker anzublicken.
    »Für etwa hundert Kilometer wird es reichen.«
    »Dann werde ich Ihnen den Wagen heute Abend leer zurückbringen.«
    »Der Chef will den Mercedes morgen haben. Wird ihn nicht gerade
freuen. Benzin kriegen wir frühestens am Montag, wenn überhaupt. Ein
amerikanischer Tanker ist in der Nordsee auf eine Miene gelaufen. Ich hab
gehört, dass ein zweiter

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