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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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Transportunternehmerin
eher an den Kais zu erwarten wäre, dort, wo die Schiffe be- und entladen
werden.«
    »Und damit ist meine Indizienkette auch schon am Ende.«
    »Eine äußerst fragile Kette. Sonst noch Verdächtige?«
    »Adolf Winkelmann war, wenn mich nicht alles täuscht, die meiste
Zeit seines kurzen Lebens gar nicht zu Hause. Er trieb sich herum. Wo? Mit wem?
Das weiß ich noch nicht. Aber das wird sich bald ändern. Irgendwie muss er an
so viele Zigaretten gekommen sein. Hat er sie gestohlen? Ist es die Bezahlung
für eine Arbeit, die er erledigt hat? Hat er sie eingetauscht gegen etwas
anderes? Er hat sie sicherlich nicht von seiner Tante geschenkt bekommen, die
war viel zu überrascht, als sie die drei Päckchen Lucky Strike in Adolfs Kiste
sah.«
    »Klingt alles nach einer der üblichen traurigen
Schwarzmarkt-und-Kriegswaisen-Geschichten. Wenn der Tatort nicht ausgerechnet
Blohm & Voss wäre. Das macht unsere englischen Freunde nervös.«
    Stave starrt auf das freundliche, verschwitzte Gesicht des
Staatsanwalts, die Eulenaugen, die spiegelnde Glatze. So harmlos. Aber
irgendwie hat Ehrlich schon von MacDonalds geheimer Beteiligung an der
Ermittlung erfahren. Soll er ihn darauf ansprechen? Und dann aber selbst als
Schwätzer dastehen?
    »Mit nervösen Engländern habe ich schon meine Erfahrungen gemacht«,
antwortet er nur. »Das beste Beruhigungsmittel sind rasche Ergebnisse.«
    »Was werden Sie tun?«
    »Eine Spritztour aufs Land unternehmen. Südlich der Elbe steht ›Heim
und Werk‹ – ein Kinderheim, in das die Polizei alle Jungen bringt, die keine
Eltern haben. Die Mädchen liefern wir im Mädchenheim in der Feuerbergstraße in
Barmbek ab.«
    »Schön weit voneinander entfernt.«
    »Die meisten Kinder laufen nach wenigen Tagen wieder weg. Aber da
auch jeden Tag welche eingeliefert werden, sind immer ein paar da, die man
fragen kann. Ich hoffe, dass mir einer der Bengel etwas über Adolf Winkelmann
erzählen wird.«
    Stave stemmt sich aus dem Stuhl. Er hat die Hand schon auf der
Türklinke, als er zur Schreibmaschine hinübernickt. »Und was tun Sie an einem
sonnigen Samstagmittag im Büro?«
    »Ein Prozess mit achtzehn Angeklagten will gut vorbereitet sein.«
    »Achtzehn auf einen Streich? Schwarzmarkt oder Nazizeit?«
    Ehrlich lacht freudlos. »Nazizeit. Im März 1944 sind 50 gefangene
    englische Soldaten aus dem Kriegsgefangenenlager Stalag Luft III bei Sagan in
Schlesien geflohen. Sie sind gestellt worden – und wurden alle in einem
Wäldchen exekutiert.«
    »Tötung von Kriegsgefangenen? Klingt nach achtzehn Todesurteilen.«
    Der Staatsanwalt schüttelt den Kopf. »Das dachte ich auch. Aber
haben Sie schon einmal von Doktor Anna Marie Oehlert gehört?«
    Stave schüttelt den Kopf. »Eine Ärztin?«
    »Ich wünschte es. Sie ist Doktor Iur und eine von bloß fünfzehn
Anwältinnen in Hamburg. Jung, groß, schlank, dunkle Augen, langes, braunes
Haar, klug, bezaubernd und eine Löwin im Kampf für ihre Mandanten – und leider,
leider die Verteidigerin der Angeklagten Nummer 17 und 18. Nummer 17 ist der
Mann, der die Gruppe der SS-Soldaten, die 1944 den Mord begangen, zum Wäldchen
fuhr. Das kann ich noch verstehen: ein Fahrer, ein Handlanger, Gefängnis statt
Fallbeil. Aber Nummer 18 ist Oberscharführer Erich Zacharias. Und der war einer
der Hauptbeteiligten. Wie kann eine so attraktive und intelligente Frau einen
fünfzigfachen Mörder verteidigen?«
    »Die Ästhetik geht seltsame Wege«, erwidert Stave und nickt zum
Abschied.
    Während er über die stillen Gänge geht, denkt er über Ehrlichs Worte
nach: Jung, groß, schlank, dunkle Augen, langes, braunes Haar, klug,
bezaubernd. Klingt, als hätte sich der Herr Staatsanwalt in die Frau
Verteidigerin verliebt. Warum auch nicht? Ehrlich ist seit sechs Jahren Witwer.
Da er schon 1939 ins Exil ging, hat er seine Frau sogar das letzte Mal vor acht
Jahren in den Armen gehalten. Irgendwann verblasst auch die größte Liebe. Und
es hat schon seltsamere Orte gegeben, um für eine neue Leidenschaft zu
entflammen, als einen Gerichtssaal in Hamburg.
    Es sind nur ein paar Schritte bis zur Kripo-Zentrale.
Stave hat den Flur für sich allein, schließt trotzdem die Tür zu seinem
stickigen Büro. So kann er besser nachdenken. Er legt sich Stift und Notizheft
bereit, greift zum Telefon. Erst wenige Hamburger haben schon wieder einen
Privatanschluss. Der Kollege vom Chefamt S, das den Schwarzmarkt bekämpft,
gehört zufällig dazu, weil er im nie

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