Schieber
Oberinspektor erschrocken
zusammenzuckt. »Da bringt mich niemand mehr rein!«
»Woher dann?«
Friedel zögert kurz.
»Erzähl mir besser die Wahrheit.«
»Vom Schwarzmarkt«, platzt der Junge heraus. »Am Hansaplatz. Ich
stehe da Schmiere. Ich meine, ich stand da Schmiere, jetzt bin ich ja sauber.«
»Klar.«
»Der Adolf ist da ein-, zweimal aufgetaucht. Der war kein
Professioneller, wenigstens nicht auf dem Hansaplatz.«
»Hat keine Zigaretten verschanzt?«
Friedel schüttelt den Kopf. »Der war ein Amateur, einer von denen,
die nur hin und wieder Sachen verticken. Ziemlich ungeschickt.«
»Aber du kannst dich an ihn erinnern.«
»Ja, weil ich noch weiß, was Adolf vertickt hat!« Er lächelt,
strahlt in stolzer Erinnerung. »Karten für Boxkämpfe!«
»Boxkämpfe?«
»Ohne den Adolf hätte ich beim letzten Kampf von Hein ten Hoff auf
irgendeinem Baum sitzen müssen, um irgendwas im HSV-Stadion sehen zu können. So
war ich drin, sogar in der ersten Reihe. Zumindest, bis mich einer von den
Ordnern wieder verscheucht hat.«
»Adolf Winkelmann hat auf dem Schwarzmarkt Karten für Kampftage
verhökert?« Stave will es nicht glauben. Das Geschäft mit dem Boxen ist legal.
Wieso sollte jemand dann Karten auf dem Schwarzmarkt anbieten und sich dabei
dem Risiko aussetzen, in einer Razzia der Polizei und anschließend vor einem
englischen Schnellrichter zu landen?
»Der Adolf hatte einen Stiefvater oder so etwas. Der Kerl macht
Boxkämpfe. Und dem hat er ein paar Karten gestohlen!«, platzt Friedel heraus.
»Die hat er auf dem Schwarzmarkt verschanzt, gegen Zigaretten. Viel zu billig.
Ein Amateur halt.«
»Und woher weißt du das?«
»Als er das zweite Mal bei uns auf dem Hansaplatz aufkreuzte, habe
ich die Karte für ten Hoff gekauft. Und dann habe ich ihm gesagt, dass er viel
zu billig ist und dass er sich vor den Spritzern und den Spitzeln der Polente
in Acht nehmen soll. Nichts für ungut, Herr Kommissar.«
»Oberinspektor. Und da hat er dir seine Geschichte erzählt?«
»Das, was ich Ihnen jetzt gebeichtet habe. Aber ich weiß nicht mal,
wo er wohnte.«
»Und sonst?«
»Als ich ihm von den Spritzern und den Spitzeln erzählte, bekam er
es erst mal mächtig mit der Angst. Sein Stiefvater, sagte er, wäre unglaublich
wütend, wenn er erfahren würde, dass man ihn beklaut hat. Der hätte ihn
verdroschen! Er wollte vorsichtiger sein.«
»War er?«
Friedel zuckt mit den Achseln. »Wir hatten ausgemacht, dass er
wieder auf dem Hansaplatz vorbeischaut. Wenn er Boxkarten hat. Oder auch so.
Ich hätte ihm ein paar Tricks gezeigt.« Der Junge merkt, was er gerade
gestanden hat, wird rot.
»Auf dem Ohr bin ich taub«, versichert ihm Stave. »Ich werde den
Kollegen nichts stecken, die am Hansaplatz patrouillieren.«
Friedel lächelt. »Wir hätten in Zigaretten gemacht. Der Adolf war
ganz wild hinter den Ami-Glimmstengeln her. Aber er ist dann doch nie wieder
bei mir aufgekreuzt.«
»Wann hat er die Boxkarten verschanzt?«
Der Junge denkt nach, rechnet die Tage an seinen Fingern zurück.
»Muss vier Wochen her gewesen sein, dass ich ihn angesprochen hab. Das erste
Mal, dass er Boxkarten verschanzt hat, das war im März oder April, als es
gerade nicht mehr so kalt war.«
Ob das was mit einer Ermordung zu tun hat?, fragt sich Stave. Die
Geschäfte liegen mindestens einen Monat vor der Tat. »Du hast mir sehr
geholfen«, sagt er. »Und denk dran, den Mädchen im Dorf deine Narben zu
zeigen.«
Gustav Bartsch bringt ihm die Jungen in die Baracke,
während das Sonnenlicht draußen langsam von Weißgelb zu Leuchtendrot wechselt.
Stave schwitzt, er hätte gerne ein Glas Wasser getrunken, findet aber nichts.
Die nächsten Befragungen sind kurz: Jungen, der Älteste ist
siebzehn, der Jüngste gerade zwölf, mager, braungebrannt, in viel zu weiten
Sachen, manche mit hässlichen Narben am Körper, die vielleicht von
Kriegsverletzungen herrühren oder von Bombensplittern oder von Kämpfen auf dem
Schwarzmarkt. Der Oberinspektor fragt nicht nach. Freche Worte, Missmut,
manchmal Gleichgültigkeit. War mein Sohn auch so in dem Alter, fragt sich
Stave. Ob er jetzt so ist?
Niemand hat etwas von Adolf Winkelmann gesehen, gehört, kennt auch
nur den Namen – zumindest gibt keiner etwas zu. Der Oberinspektor fühlt, dass
ihn der eine oder andere der Bengel anlügt. Wer von denen redet schon gerne mit
der Polizei? Er beschließt, niemanden zu hart anzufassen. Er wird schon an die
Informationen kommen, die er braucht, so
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