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Schieber

Schieber

Titel: Schieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Rademacher
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gehabt.
Wo würde sich ein Schmuggler am Hafen herumtreiben?«
    »Überall.« Der Tätowierer lehnt sich zurück und blickt ihn an, nun
nicht mehr so freundlich. »Wenn Sie in diesem trüben Tümpel rühren, dann
scheuchen Sie aber mächtig viele Fische auf. Viele kleine – und ein paar Haie.«
    »Muss niemand erfahren, wer mir die Namen der Haie verraten hat.«
    »Sie werden mich nicht als Zeugen vor Gericht zerren?«
    »Wenn ich es vermeiden kann. Aber vor allem will ich den Mörder
eines Jungen fangen. Und eines vierzehnjährigen Mädchens.«
    »Ein Mädchen auch?« Tätowier-Willi nickt nachdenklich. »Also schön:
eine kleine Einführung ins nicht ganz so legale Hafengeschäft. Zigaretten
kommen rein, das ist wohl keine Überraschung für Sie. Auf den englischen und
amerikanischen Frachtern vor allem. Manche auch auf den sowjetischen Schiffen.
Aber die Papirossi will eigentlich niemand qualmen.«
    Stave denkt an die riesigen Frachter, die an den Kais vertäut sind.
»Wenn mit den Schiffen eine Ladung ankommt, dann müssen die Preise auf dem
Schwarzmarkt doch in den Keller rauschen.«
    Der Tätowierer schüttelt den Kopf. »Die haben ja nicht die
Frachträume vollgeladen, wäre viel zu auffällig. Das kontrolliert die englische
Militärpolizei. Schmuggeln tun die Matrosen und manchmal auch die Herren
Offiziere. Haben kleine Lager in ihren Kajüten, eine Stange versteckt unter dem
Pullover, wenn es zum Landgang auf die Reeperbahn geht.«
    »Und was nehmen sie wieder mit an Bord?«
    »Flüchtiges Glück, hauptsächlich. Die meisten Glimmstengel gehen für
Schnaps drauf und für die Dienste der Mädchen hier.«
    »Oder für Tätowierungen?«
    »Das ist immerhin Glück, das bleibt. Ich sehe bei den Zigaretten
nicht auf die Steuermarke. Sie verpfeifen mich doch jetzt nicht?«
    Stave ist nicht daran gelegen, dass Tätowier-Willi sich plötzlich
Sorgen macht und den Mund hält. Er vollführt mit der Rechten eine beschwichtigende
Geste.
    »Die Klügeren unter den Seeleuten schließen bessere Geschäfte ab«,
fährt der Alte fort. »Auf dem Schwarzmarkt, ein Stück weit runter auf der
Reeperbahn, Ecke Hamburger Berg.«
    »Auch auf dem Hansaplatz?«
    Ein überraschter Blick. »Nein, bis St. Georg gehen die nicht. Wozu
auch? Gibt ja alles auch in St. Pauli.«
    »Was tauschen die Matrosen auf dem Schwarzmarkt ein?«
    »Alles, was klein ist und sie in ihre Kajüten stopfen können. Was
sie zu Hause am Zoll in Liverpool oder New York vorbeischummeln können. Ringe,
Uhren, Bargeld. Sie glauben gar nicht, wo immer noch Dollar- und Pfundnoten
auftauchen. Vorkriegsscheine. Weiß der Himmel, wer die gehortet hat. War das
nicht unter den Nazis verboten?«
    »Tonbänder?«
    Tätowier-Willi starrt ihn verständnislos an. Also wiederholt der
Oberinspektor seine Frage. Der Alte schüttelt verwundert den Kopf. »Verrückte
Idee. Nie gehört. Muss man die überhaupt schmuggeln? Keine Streife würde sich
dafür interessieren. Und auf der anderen Seite des Großen Teiches auch kein Zollbeamter,
denke ich. Und groß sind die Dinger auch noch, größer als Brillanten oder ein
Bündel Dollarscheine jedenfalls. Warum sollte jemand Tonbänder schmuggeln?«
    »Das frage ich mich auch.« Stave fasst sich an die Stirn. Die
Geschichte mit den verdammten Tonbändern passt vorne und hinten nicht. Die Luft
in der Küche ist stickig, ihn umweht ein Hauch von Chemikalien. Die Farben,
vermutet er, oder Desinfektionsmittel. Der Gedanke bringt ihn auf eine Idee.
    »Was ist mit Medikamenten?«
    »Das kommt vor, aber selten. Und nur auf dem anderen Weg: rein mit
den Pillen. Hier in Deutschland wird ja nichts mehr hergestellt. Da gibt es
nichts hinauszuschmuggeln.«
    »Was fällt dabei für die anderen im Hafen ab? Die Seeleute
transportieren die Waren hinein und wieder hinaus, gut. Aber was ist mit den
Schauerleuten? Und mit den Werftarbeitern? Wo profitieren die in dem Handel?«
    »Manchmal brauchen die Seeleute und die Schieber vom Schwarzmarkt
Verstecke für heiße Ware. Zwischenlager. Und was ist sicherer als der Hafen
oder eine Werft? In Hamburg veranstalten Ihre Kollegen regelmäßig
Schwarzmarktjagden: Razzien, verdeckte Ermittler auf den Straßen, so etwas.
Aber der Hafen ist englisches Territorium. Die starten zwar manchmal auch
Razzien, aber die Tommies kennen sich im Hafen nicht gut aus. Und die alten
Karten sind kaum noch brauchbar, weil so viel zerstört ist. Da gibt es tausend
Verstecke für ein paar Stangen Zigaretten oder Großmutters alten

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