Schief gewickelt (German Edition)
Geburtstag und Freunde.«
»Du kommst jetzt erst mal her.«
Ich nehme Daniel ungestüm auf den Arm und drücke meine Nase in seine liebliche weiche Halspartie.
»Iiihhh. Neiiin. Kitzelt.«
»Ich kitzel dich gleich mal richtig, kleiner Ausreißer.«
»Quietsch!«
Ich bin nicht in der Lage, eine Standpauke zu halten. Wir einigen uns auf zwei Überraschungseier und machen uns auf zur Kasse. Schnell bezahlen und die Sachen sorgfältig in dem Rucksack und den zwei mitgebrachten Stoffbeuteln verstaut. Eigentlich wäre ein Hackenporsche praktischer, aber wie sieht das denn aus? Daniel schnappt sich das Laufrad und nimmt Fahrt auf. Durchhalten. Noch drei Straßenüberquerungen und dann machen wir nur noch Entspannung. Ich weiß auch schon was.
Die Stargarderstraßenampel wird grün. Wir zuckeln los.
Geschafft, wir sind drüben. Daniel ist jetzt zum Glück mehr nach Plaudern zumute. Er bleibt dicht neben mir und lässt den Turbobooster aus.
»Wann hab ich Geburtstag, Papa?«
»In einem halben Jahr.«
»In einem Halmjahr. Ist das morgen?«
»Fast.«
»Fast.«
So. Pappelallee. Ich lege meine Hand auf Daniels Schulter und stecke den Kopf in den Verkehr. Jetzt. Unsere Chance.
»Los, Daniel.«
Ja, das ist gut zu schaffen.
Ist das zu fassen? Warum bleibt dieser Satansbraten schon wieder mitten auf der Straße stehen? Und ausgerechnet jetzt kommt wieder der Spedition-Mordhorst-Zwanzigtonner. Hat wohl sein Zeug abgeliefert und ist auf dem Rückweg. Ich kann schon das unvermeidliche gestanzte Namensschild hinter der Windschutzscheibe lesen: Bruno.
»Hee, nicht stehen bleiben, Daniel!«
»Aber …«
»Nichts aber! Fahr weiter! Sonst sind wir gleich pl…«
QUIIIIIIIIIIIIIIIETSCH! TUUUUUUUUUUUUUUT!
»Aber ich muss noch mal zum Kompjuter. Ich muss mein Bild fertigmalen.«
*
Eigentlich hätte ich Bruno einen Scheinwerfer eintreten sollen und dann einfach mal sehen, was passiert. Aber zu riskant. Ein sauberer Lastwagenfahrer-Knockout klappt nur, wenn deine rechte Gerade überraschend und mit Wucht kommt. Das wiederum haut nur hin, wenn dein ganzer Körper beim Faustausfahren mithilft. Wenn aber der halbe Körper damit beschäftigt ist, Daniel von weiterem Unfug abzuhalten, kommt Bruno wieder hoch. Und wenn dann dein halber Körper immer noch mit Daniel beschäftigt ist, statt sich an überlebenswichtigen Deckungs- und Ausweichmanövern zu beteiligen, kannst du gleich duschen gehen. Also lieber unverrichteter Dinge ab nach Hause und friedlich die Fischstäbchen essfertig gemacht.
Als Nachtisch gibt es heute die Überraschungseier. Daniel ist schon heiß.
»Jetzt überrasche ich mal, was da drin ist.«
Das sagt er immer, bevor er der Alufolie zu Leibe rückt. Ich liebe diesen Satz. Ansonsten klare Rollenteilung, wie immer. Daniel macht Schokosauerei und ich baue die Plastikdinger zusammen. Heute: Der Wurzelsepp aus der Serie »Die wilden Waldwatze« und Poldi der Poltergeist aus der Serie »Spukschloss Kreischenfels«. Nicht schlecht. Jetzt haben wir schon insgesamt vier wilde Waldwatze. Wäre super, wenn wir die Gruppe noch komplett kriegen. Ich sammle das ganze Zeug in einem Schuhkarton, und irgendwann wird das alles bei eBay versteigert. Es soll ja verrückte Sammler geben, die ihr letztes Hemd für irgendeinen blöden Überraschungsei-Zwerg eintauschen würden. Mit einer kompletten Waldwatzsammlung können wir vielleicht später Daniels Studium finanzieren.
Jetzt aber erst mal Mittagsschlaf. Wie gesagt, segensreiche Einrichtung. Quell der gepflegten Entspannung. Ein, zwei Stunden Stille. Erfrischend, wie für einen alternden Fußballstar die Halbzeitpause. Und wenn Daniel auch sonst, wie bereits erwähnt, komplett darauf ausgerichtet ist, mich fertigzumachen, beim Mittagsschlaf herrscht Waffenstillstand. Betrachtet er als Ehrensache. Schlafanzug anziehen, Lied singen und rtzefrrrh. Der restliche Nachmittag ist auch schon beruhigend verplant. Um drei kommt eine lange Ballettsendung auf Arte.
Aber jetzt erst mal Laptop her und Powerpoint gestartet. Also, der Name steht: feelgoood.com. Jetzt kommt das Wichtigste. Wie bringe ich meine Idee gleich bei der ersten Folie auf den Punkt?
Es geht um Gefühle.
Ja, das ist gut. Gefühle sind immer das Tor zum Kundenportemonnaie. Weiß man heute. Wenn du in den Fünfzigern einem Investor mit Gefühlen gekommen bist, hat er dir seinen Zigarrenrauch ins Gesicht gepafft. Aber heute raucht so einer bei der Arbeit gar keine Zigarren mehr, und wenn er »Gefühle« hört,
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