Schief gewickelt (German Edition)
E-Piano kein Technikschrott ist, sondern vielmehr eine wohnzimmertaugliche Stilikone, und irgendwie sagt mir mein Gefühl, dass das kein Spaziergang wird.
Manno. Und diese Hiobsbotschaft ausgerechnet heute, an dem Tag, an dem ich im Supermarkt meine Stimme entdeckt habe.
Ach ja. Eigentlich ist jetzt eine einmalige Gelegenheit, das noch mal unter Laborbedingungen zu testen. Was gibt das CD -Fach zum Mitsingen her? Best of ACDC . Bingo. Räusper.
’COS I’M TNT ,
I’M DYNAMITE ,
TNT ,
I’LL WIN THE FIGHT
Wow. Gegen mich kann Angus Young glatt einpacken.
TNT …
Shit. Kaum hat man sich mal warmgebrüllt, muss man schon wieder aufhören. Becker steht da, wo er immer um diese Zeit steht, und wartet, dass ich ihn aufsammle. Eigentlich ein Witz. Seit Jahr und Tag kutschiere ich ihn zum Fußball, nur weil seine Wohnung auf meinem Weg liegt und nicht umgekehrt. Eines Tages werde ich einfach an ihm vorbeifahren. Oder über ihn drüber.
»Markus, was für ein flotter neuer Flitzer. Ich staune.«
Halt doch einfach die Klappe, Wixfrosch.
»Und was ist aus deinem Kultgolf geworden?«
»Mein Kultgolf ist jetzt ein Sonderangebot bei Gebrauchtwagen Gadonske, vermute ich mal, aber Genaues weiß ich nicht.«
»Nun ja, dann wollen wir uns mal wieder der Kugel widmen, was?«
Dafür, dass Becker seit zwei Wochen Papa ist, hat er irgendwie viel zu gute Laune. Und seine Augenringe könnten auch ruhig stärker sein.
»Sag mal, Markus, ich weiß ja nicht, wie das bei euch war, aber unser Fritz-Bertram ist ein Traumkind. Schläft schon seit zehn Tagen perfekt durch. Ich bin echt begeistert.«
Fritz-Bertram.
Er hat wirklich Fritz-Bertram gesagt. Sonst bei jeder Gelegenheit den hypersensiblen Superästheten raushängen lassen, aber das Kind Fritz-Bertram nennen.
»Und die Windeln. Die stinken ja wirklich noch gar nicht bei so einem kleinen Wicht. Hätte ich mir vorher nie vorstellen können. Aber bei Daniel ist das jetzt wohl schon ganz anders, was?«
»Nun ja, wenn du es genau wissen willst, ich unterscheide zwischen vier Stinkstufen, je nach Verdauungslaune:
Stufe 1: ›Iih!‹
Stufe 2: ›O nein!!‹
Stufe 3: ›O mein Gott!!!‹
Stufe 4: ›Ich möchte nicht darüber sprechen …‹«
»Köstlich, Markus, du bist wirklich köstlich.«
Ich muss jetzt schnell eine Entscheidung treffen. Wenn ich Vollgas gebe und das Auto mit der rechten Seite an den S-Bahn-Brückenpfeiler da vorne setze, würde dann nur Becker zerquetscht?
Nein. Irgendwie zu riskant als Spontanaktion. Sollte ich lieber vorher üben.
Wir sind da. Parkplatz gesucht und rein in die Umkleide. Becker hin oder her, jetzt kommen die zwei schönsten Stunden der Woche. Fünf gegen fünf, ein Ball, zwei Tore. Muss ich mehr sagen?
Beim Mannschaftenbilden achte ich darauf, dass Becker im anderen Team ist. Gut, es ist nicht mehr so leicht wie früher, ihm den Ball abzunehmen. Und er ist schnell. Kein Wunder, bei seinen nur knapp 65 Kilo. Aber das Gute ist, wenn so ein Fliegengewicht erst mal Reisegeschwindigkeit erreicht hat, braucht man es nur ganz leicht antippen, und es gerät mächtig ins Trudeln. Nicht, dass ich Becker jeden Montag auf die Bretter schicke, aber ich glaube, heute muss es einfach mal wieder sein. Und schon geht es los. Aufwärmen ist was für Spießer. Sofort tobt ein Kampf, als wäre das hier die Schlacht um Troja. Becker hat sich den Ball geschnappt und startet. Meine Chance. Jetzt schräg von vorne antraben, so langsam, dass er glaubt, er kommt locker vorbei, dann im richtigen Moment die Hüfte rausgedrückt – und zack! Was für eine Flugbahn …
Von wegen. Heute nicht. Becker rennt fröhlich vorbei, zieht nach innen und macht sein Tor. Was war denn das jetzt gerade? Gut, ich habe durchaus eine Art Sportlergewissen, aber ich habe nie ein Problem damit gehabt, es kurz in die Pause zu schicken, wenn es darum ging, Becker in die Umlaufbahn zu hebeln. Warum zum Teufel habe ich gerade eben einen Rückzieher gemacht?
Ich glaube, ich weiß es nur zu gut. Ich kann einfach nicht böse zu einem anderen Papa sein. Bei Tieren gibts das irgendwie auch. Beißhemmung unter Artgleichen oder so ähnlich. Zu schade. Nie wieder werde ich das herrliche Krachen genießen können, wenn Becker neben mir auf dem Hallenboden aufschlägt. Muss eben doch der Sandsack her.
»Simone, ich habe mir überlegt, dass unser Wohnzimmer viel interessanter aussähe, wenn wir mein Wurlitzer E-Piano reinstellen und dazu einen Sandsack aufhängen.«
Das wird ein
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