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Schief gewickelt (German Edition)

Schief gewickelt (German Edition)

Titel: Schief gewickelt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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vorbei. Drei Stationen sind zu viel. Lieber nur zwei. Ich steige an der Ecke Zionskirchstraße aus. Die alte Zionskirche schaut zwischen den Häusern heraus und verspricht Ruhe. Ich gehe langsam an ihr vorbei und nehme das Bobby-Car auf die Schulter, weil mein Arm weh tut.
    Soll ich noch die Veteranenstraße runterlaufen? Die Uhr ist immer noch kaum vorangekommen. Also ja. Die Veteranenstraße ist nicht besonders lang, aber dafür wahrscheinlich die abschüssigste Straße der Stadt. Früher habe ich sie immer mit der Invalidenstraße verwechselt. Kann auch leicht passieren, weil die Invalidenstraße einfach die Fortsetzung am unteren Ende der Veteranenstraße ist. Aber eigentlich ist es doch ganz einfach: Veteranenstraße mit Steigung, Invalidenstraße flach. Die wackeren Veteranen kommen den Berg noch hoch, die maladen Invaliden hingegen nicht mehr.
    Abschüssige Straße und Bobby-Car. Hm, ich glaube, ich kann nicht widerstehen. Ich mache es mir, so gut es geht, auf dem roten Flitzer gemütlich, strecke die Beine nach vorne in die Luft und fange an zu rollen. Weit werde ich nicht kommen. Zu schlechter Bürgersteig, zu viele Hindernisse. Wahrscheinlich bleibe ich bei der ersten Hofeinfahrt zwischen den Kopfsteinen hängen.
    Rumpel, Krach.
    Nein, ich rolle weiter. Über Schlaglöcher, unter einem Baugerüst hindurch, um einen Hund herum. Jetzt kommen die Cafés mit ihren Sesseln und Stühlen auf den Bürgersteigen. Hier werde ich wohl irgendjemand oder irgendetwas rammen. Kein Problem. Ich bin nicht schnell. Ist ja nur ein Bobby-Car. Wird einen guten Lacher geben. Ich schlängele mich so gut ich kann durch die Lücken zwischen den Tischen und Beinen. Die Lacher kommen. Für ein paar Sekunden bin ich der Star.
    »Was war denn das?«
    »Das war ein Bobby-Car.«
    Diese Stimme. Ich drehe mich um. Tante Hilda.
    Tante Hilda hier? Die Veteranenstraßencafés sind doch mehr das Land der Werbeagenturpraktikanten und sonstigen Möchtegerns und nichts für Leute, die es wirklich geschafft haben. Sie sitzt mit drei jungen Fotomodellen am Tisch und winkt. Ich winke matt zurück und sehe zu, dass ich weiterkomme.
    Aber es ist in Ordnung. Wirklich. Tante Hilda gehört zu den wenigen Leuten, in deren Ansehen man steigt, wenn man auf einem Bobby-Car die Veteranenstraße herunterfährt.
    *
    Nach gefühlten fünf Stunden ist die eine Stunde Kindergartentestzeit vorbei. Ich sause auf den Eingang zu. Nichts zu hören. Daniel hat also aufgehört zu schreien. Aber das heißt gar nichts. Wahrscheinlich hatte er nach einer Viertelstunde keine Kraft mehr und sitzt jetzt wimmernd auf Claudias Schoß. Wir werden ein Eis essen gehen. Dann wird vielleicht alles wieder gut. Ich gehe den Flur entlang. Die Kindergartenleiterin sieht mich und grinst. Ich klopfe und öffne die Tür zum Gruppenraum. Daniel liegt in der Ecke auf dem Boden. Zwei größere Mädchen knien daneben und machen irgendwas mit ihm. Halt durch, ich komme!
    »Daniel! Alles klar mit dir?«
    Er hört mich gar nicht. Claudia zupft mich am Arm und hält beide Daumen nach oben.
    »Sie spielen Vater, Mutter, Kind. Schon seit einer halben Stunde. Jetzt gucken sie nach der Windel.«
    Ach so. Doch kein Folterspiel. Gut.
    Daniel dreht den Kopf und sieht mich. Mein geliebter kleiner dritter Planet. Ich beginne allmählich zu ahnen, wie sehr ich herumeiern würde, wenn du unser Sonnensystem auf einmal wieder verlassen würdest.
    »Na, Dicker? Wie wärs mit einem großen Eis?«
    »Nein, du sollst noch mal weggehn!«
    *
    Simone bringt Daniel ins Bett. Ich sitze vor der Tagesschau, aber ich höre nicht hin.
    Du sollst noch mal weggehn.
    Das hat gesessen. Aber da muss ich mit klarkommen. Ist ja gut, wenn die Kleinen auch irgendwann mal flügge werden. Hat nichts mit mir zu tun, oder? Ich muss an was anderes denken. Meine Feelgoood-Präsentation steckt immer noch in den Anfängen. Wenn ich nicht bald den Hintern hochkriege, kommen womöglich noch andere auf die gleiche Idee. Ich mache das irgendwie falsch. Ich muss erst mal einen Brief schreiben. Nur ein paar Sätze. »Es geht um Gefühle«, und dann noch zwei, drei Andeutungen, die das Projekt in die Nähe von eBay und Amazon rücken. Das schicke ich dann an alle Venture-Capital-Gesellschaften, die ich im Internet finden kann. Und sobald die erste mich dann einlädt, schraube ich wie der Blitz die Präsentation zusammen. So geht das.
    »Die Lage im Nahen Osten bleibt angespannt. Nach der jüngsten Anschlagserie …«
    Was mich viel mehr

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