Schiff der tausend Träume
sich von
zuppa
. Kathleen war die Suppenkönigin von Lower Manhattan, pflegte er zu scherzen. Niemand konnte einen Topf Brühe besser strecken als sie, doch er fürchtete, dass seine Kinder hungrig zu Bett gingen.
Zuweilen unternahmen sie alle zusammen einen Spaziergang zum Battery Park, um die großen Linienschiffe zu beobachten, die an der Freiheitsstatue vorbei aus dem Hafen von New York ausliefen.
»Ihr seid jetzt Amerikaner«, sagte Angelo dann und drohte ihnen mit dem Finger. »Macht euch dieses große Land zu eigen … Kümmert euch nicht drum, wenn man euch beschimpft … Ihr seid geborene Americanos. Baseball, Football, macht alles, was ihr wollt, aber haltet euch von den irischen Patern fern … Kirche ist eine
cosa femminile
. Hörst du, Francisco … Frauensache.«
Frankie war am Tag seiner Erstkommunion um vier Uhr auf den Beinen. Man hatte ihm aufgetragen, ab Mitternacht zu fasten und nichts anzurühren, bis das heilige Sakrament seine Lippen berührte. Angelo war wütend. Der Junge war zu willig, zu jung, um ohne Wasser auszukommen.
»Es ist mein besonderer Tag. Ich kann es kaum erwarten. Werde ich den Herrn spüren, wenn ich an der Reihe bin?« Er hatte sich seine Kleidung fein säuberlich zurechtgelegt. Angelo schämte sich, dass es ihm selbst am rechten Glauben fehlte. »In dem Sonntagsstaat wirst du wie ein Prinz aussehen. Was ist das?« Er nahm einen langen Spitzenkragen aus feinster Klöppelarbeit in die Hand. »Woher kommt das?«
»Aus Italien. Tante Anna hatte es für ihre Jungen aufgehoben. Er hat Onkel Salvi gehört, als er noch klein war. Mamma hat ihn gewaschen und festgesteckt.«
Angelo strich darüber, prüfte die Stiche, den feinen Faden, das Muster. Als Junge hatte er etwas Ähnliches gehabt, aber dieser Gedanke brachte ihn nicht zum Weinen, sondern das Muster, das dem am Schuh seines Kindes so ähnlich war. Es war dasselbe, ohne Zweifel aus ihrer Region. Gerade als er seinen Kummer allmählich vergaß, kam diese Erinnerung. Vielleicht war es ein Zeichen.
69
May fühlte sich hundemüde. Der Tag war warm, auf dem Markt herrschte Gedränge, und Selwyn war wieder einmal in düsterer Stimmung. Er hatte in der Küche an einem seiner Motorräder herumgewerkelt.
»Nimm den öligen Lumpen vom Tisch, Mr Forester, das ist keine Garage hier«, hatte sie ihn wütend angefahren, als sie das Durcheinander auf dem Boden sah.
»Hör auf, so einen Wirbel zu machen, Frau!«, hatte er entgegnet. »An den meisten Tagen geht es hier zu wie am Piccadilly Circus. Gönn mir ein bisschen Frieden.«
Der Tag würde einer seiner schlechten werden. Er war wie ein aufgeschlagenes Buch für sie. Sobald er ein oder drei Bier im Earl of Lichfield getrunken hatte, begann er Unsinn über die Regierung zu verzapfen; der Mangel an Heimen für Helden, der Zustand des Landes. Den glasigen Blick seiner traurigen Augen konnte sie nicht ausstehen.
Sie war ihm im Grunde ihres Herzens nicht böse, denn sie spürte seinen Kummer und Schmerz und etwas von der Welt, die er verloren hatte. Er war nie wieder in das Anwaltsbüro in Birmingham gegangen. Sie ertappte ihn häufig, wie er auf das Feld starrte und seinen alten Pferden beim Grasen zusah.
»Ich bin auf die Wiese gestellt worden wie sie, ein nutzloser alter Sack«, murmelte er dann.
»Was hältst du von diesem McAdam, der am Sonntag zum Mittagessen hier war?«, hatte er May an dem heißen Morgen gefragt. »Sieht ganz vernünftig aus, finde ich. Er scheint ziemlich scharf auf meine Schwester zu sein. Obwohl ich mir nicht sicher bin, ob sie ein gutes Händchen für Männer hat. Jedenfalls nicht beim Heiraten.«
May mochte Archie McAdam. Er kam blendend mit den Kindern aus, und Roddy hing an seinen Lippen. Roddy war jetzt Internatsschüler im Denstone College und kam an Wochenenden nach Hause. Celeste stand mit diesem McAdam in Briefkontakt und hatte May erzählt, wie sie sich auf dem Schiff nach England kennengelernt hatten.
»Selwyn, hast du es nie riskiert, vor den Traualtar zu treten?«, hatte May gefragt. Es war ihr klar, dass ein Leben mit einem Mann wie Selwyn furchtbar schwierig wäre, denn seine Stimmungsschwankungen beherrschten ihn völlig. Wenn man ihn betrachtete, sah er auf seine Weise ziemlich gut aus, besonders jetzt, da die Verbrennungen in seinem Gesicht endlich verheilt waren.
»Wer sollte mich schon haben wollen? Ich kann nicht einmal einer anständigen Arbeit nachgehen. Warum sollte ich Kinder in diese schlechte Welt setzen wollen?«
»Das
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