Schiff der tausend Träume
anzugeben.
Sie war hier, um ihren Vater zu begleiten, der den Tee am Nachmittag genießen wollte, um sich dann das Tennisturnier und das Kegelspiel anzusehen und die Zeit auf einer Bank mit ein paar anderen pensionierten Geistlichen zu verbringen.
Sie lächelte und dachte daran, wie viele dieser Veranstaltungen sie als junges Mädchen hatte ertragen müssen. Wie englisch das alles war, wie vertraut, als hätte es keinen furchtbaren Krieg gegeben.
Aber heute ging es darum, zu feiern und sich im Sonnenschein zu entspannen, mit Sonnenschirmen und großen Hüten, damit die Gesichter der Damen blass blieben oder Celestes Sommersprossen nicht dunkler wurden.
Roddy hatte nicht mitkommen wollen, da er lieber bei May und Ella blieb oder Selwyn in seinem Schuppen Gesellschaft leistete. Ihr Bruder wagte sich außer in eine Kneipe sowieso nirgendwohin. Er nahm nie an den Gottesdiensten in der Kathedrale teil, sehr zum Verdruss seines Vaters, aber er hatte seine Gründe. Der Krieg hatte seinen Glauben zerstört, so wie er andere darin bestärkt hatte.
Seit ihrer Flucht nach Hause waren beinahe zwei Jahre vergangen, und Celeste wunderte sich selbst, wie schnell die Zeit vergangen war. Sie hatte noch immer Angst vor allem, was einen amerikanischen Stempel trug. Grovers Anwälte hatten keine weiteren Nachforschungen angestellt, aber das bedeutete nicht, dass er nicht eines Tages wie aus heiterem Himmel wieder auftauchen würde. Sie wollte nicht daran denken, was dann passieren würde.
Oft fühlte sie sich rastlos. Viele Frauen hier gingen zur Universität oder nahmen eine Karriere auf, doch das war für Celeste keine Lösung. Wenn sie ehrlich war, gab es für sie zu Hause nichts mehr zu tun, jetzt, da May und Mrs Allen, die tägliche Aushilfe aus dem Dorf, die Zügel im Red House übernommen hatten.
Sie hatte in der
Times
eine Annonce gesehen, die sie so interessant fand, dass sie sich beworben hatte. Da sie aber sicher war, dass nichts daraus werden würde, vergaß sie prompt, ihren Brief abzuschicken. Bisher war ihr Streben einzig darauf gerichtet gewesen, Grovers brutalem Regime zu entkommen und Roddy sicher an ihrer Seite zu behalten. Jetzt war er die Woche über in Denstone, der Schule, die alle Männer der Familie Forester besucht hatten. Sie hoffte, dass er sich bald eingewöhnte. Er hatte schon so viele Veränderungen mitmachen müssen.
Celeste spürte die warme Sonne auf ihrem Körper, die kühle Baumwolle der gestärkten Spitze auf ihrer Haut, roch den Duft der Rosen im Kolleggarten, der sich zum Minster Pool hinunterzog, auf dem sich die Sonne zu funkelnden Spiegelscherben brach. Auf einmal überkam sie ein intensives Gefühl, am Leben zu sein. Wie durch ein Brennglas nahm sie ihre Umwelt wahr, Gerüche, Geschmack und das Klingen der Gläser, herzhaftes Gelächter und Jubel, als jemand sein Tennismatch gewonnen hatte. Ihre Augen erfreuten sich an den gestärkten Leinentischtüchern, auf denen Platten mit Sandwiches, Kuchen und Gebäck standen, an den Teetassen mit purpurnen und goldenen Rändern. Im Grunde ihres Herzens fühlte sie sich seit Jahren zum ersten Mal sicher. Sie fürchtete sich nicht mehr, sie musste ihre Zunge nicht ständig hüten, hatte keine Angst mehr vor Missbilligung und Kritik.
Man kannte sie nur als die verwitwete Tochter des Kanonikus, und als sie sich umdrehte, um sich zum Teestand zu begeben, starrte ein Mann sie an, ein breitschultriger Mann im Blazer, und grinste von einem Ohr zum anderen. Ihr blieb das Herz stehen. Das konnte doch nicht wahr sein? Nicht hier auf dem Kollegrasen: Archie McAdam!
Er lüpfte seinen Strohhut und deutete eine Verbeugung an. »Da sind Sie ja, Mrs Forester. Ich dachte mir, dass ich Sie hier finden würde.«
Sie blieb mit offenem Mund stehen und spürte, wie ihr brennende Röte ins Gesicht stieg. »Was um alles in der Welt machen Sie hier?«
»Ich bin mit einem Freund gekommen, Tim Beswick, und wollte mich nur ein bisschen umsehen …«
»Aber wir haben doch schon mal einen Rundgang um die Kathedrale mit Ihnen unternommen.«
»Wenn ich bisher bei Ihnen vorbeigekommen bin, habe ich mich nie richtig in Lichfield umgesehen.«
In diesem Augenblick kam Vater mit dem Rektor, Lawrence Phillips, auf sie zu geschlendert. »Das hier ist der junge Mann, von dem ich dir erzählt habe, Bertram … McAdam ist ein ehemaliger Marineoffizier, hat in Oxford studiert, jetzt Altphilologe. Er wird bei uns anfangen. Ich habe dir ja gesagt, die Studentenzahlen steigen. Wir
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