Schiff der tausend Träume
ich fahre dich zurück, und wir können das ein für alle Mal vom Tisch fegen.«
Ella klammerte sich an May, als sie ging, und wollte mitkommen, aber Selwyn hielt sie zurück. »Deine Mum und meine Schwester haben viel aufzuholen. Keine Bange, sie wird bald für immer zu Hause sein. Lass uns den Frieden genießen, solange es möglich ist.«
68
Noch ein Wort über Frankies Erstkommunion, und er würde nicht hingehen, schwor Angelo sich. Kathleen war wild entschlossen, Ehre einzulegen und ihren Sohn nur mit den feinsten Sachen auszustaffieren.
»Was spricht denn gegen einen gebrauchten Anzug?«, wandte er ein.
»Was spricht
dafür
?«, fauchte sie. »Willst du deine Familie vor den Patern beschämen? Er braucht Stiefel und Strümpfe und einen weißen Kragen. Die anderen müssen respektierlich aussehen, und du auch.«
»Hast du eine Bank ausgeraubt? Wo bekommen wir denn solche Klamotten?«, hielt er dagegen. »Ich schwimme doch nicht im Geld.«
»Nein, aber du versäufst eine Menge. Ich habe etwas für das Fest und die Geschenke zurückgelegt. Ich möchte der Familie zeigen, dass wir etwas richtig machen können und nicht knausern müssen. Das ist sein besonderer Tag.«
Warum gefiel Frauen dieses Rumknien in der alten Kathedrale mit dem wabernden Weihrauchgeruch, den weißen Gewändern mit Spitzenbesatz, den flackernden Kerzen in den dunklen Nischen und den Statuen? Er schaute auf seine beiden Söhne: Frankie, sauber und ruhig, konnte die Anschlagtafeln auf der Straße schon lesen, bevor er zur Schule ging, und Jackie, sein kleiner Bruder, war ein lärmendes Kind, stromerte durch die Straßen, während Patti in ihren geflickten Schuhen aus zweiter Hand herumtapste und sie mit ihren Possen verrückt machte, während Angelo versuchte, Caruso zuzuhören, der aus dem alten Grammophon schmetterte, das sie im Laden auf Pump gekauft hatten.
Darüber hatte es eine heftige Auseinandersetzung gegeben. »Woher stammt das wirklich, Angelo? Wir können uns so etwas nicht leisten. Wir müssen Frankies Kommunionsanzug bezahlen.«
»Du könntest ihm schnell ein Hemd und eine Hose nähen. Ist doch nur für einen Tag. Ich möchte nicht, dass mein Sohn stundenlang da in der Kirche hockt. Das ist nicht richtig. Ein Junge braucht Luft und Prügeleien auf der Straßen. Du machst noch eine Memme aus ihm. Wenn die irischen Pater erst einmal Hand an seine Seele gelegt haben …«
»Was stimmt nicht mit Pater Reagan?«
»Was stimmt mit ihm … er will, dass Frankie in seinem Alter im Chor singt … Das waren noch Zeiten, als wir Italiener alle im Keller von Old St. Patrick’s zum Gottesdienst gingen, und jetzt willst du, dass mein Sohn oben zu den Iren geht.«
»Er ist ein halber Ire!« Wenn Kathleen sauer war, peitschte sie ihn mit ihrer Zunge, und er stürmte hinaus, murmelte Verwünschungen vor sich hin, bis er sich wieder beruhigt hatte. Ihre Auseinandersetzungen konnten Blitz und Donner sein, dann wieder heiß und erregend.
Angelo verdiente sich etwas nebenher mit dem heimlichen Brauen im Obstladen, aber irgendwie zog es ihn in einen verrauchten Saal, um Karten zu spielen und zu trinken, und wenn er nach Hause torkelte und seine Taschen leerte, war die Hölle los. Waren sie angefüllt mit Gewinnen, verlief die Nacht gut; waren sie leer, schwieg Kathleen ihn an.
Sonntags nahm sie die Kinder mit zur irischen Messe. Angelo ging nie in die Kirche, bis auf Ostern oder Weihnachten, obwohl Pater Bernardo immer seufzend nach ihm fragte. Den 15 . April hielt er noch immer in Ehren und erzählte seinen Kindern alles über die
Titanic
. Er und Kathleen hatten sie mitgenommen, um sich den Leuchtturm anzusehen, auf dessen Spitze sich ein Zeitball befand, der aufstieg und mittags zu dem Zeitpunkt herabfiel, an dem die
Titanic
ausgelaufen war. Die Kinder wussten von Maria und dem kleinen Kind und Lou, der Schwester ihrer Mutter, die alle im Meer ertrunken waren, weil zu wenig Rettungsboote vorhanden waren.
Jedes Jahr holte er den kleinen, mit Spitze verzierten Schuh hervor, von dem er glaubte, dass er seinem Kind gehörte. Jedes Jahr fiel es schwerer zu glauben, das Kind könnte noch am Leben sein, obwohl er eine Träne vergossen hatte, was Kathleen wütend machte.
Manchmal hatte er Mühe mit dem Atmen, und er war müde. Wenn er im Laden Kisten hob, brach er in Schweiß aus, und sein Rücken schmerzte. Häufig brauchte er ein starkes Getränk, um den Schmerz zu lindern. Jetzt knauserten sie für Frankies großen Tag und ernährten
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