Schiff der tausend Träume
Mrs Grant sich mit schrecklicher Migräne entschuldigt hatte. In Gedanken bereitete Celeste sich auf die Unbilden ihrer Ehe und ihre Pflichten in Akron vor. Das erfüllte sie mit Grauen. Nur auf Roddys Begrüßung freute sie sich.
Am Nachmittag lauschte sie dem Orchester, promenierte an Deck, um frische Luft zu schnappen, bevor es wieder Zeit wurde, sich für eine neue Modenschau im Speisesaal umzuziehen. Sie trug noch immer das schwarze Seidenkostüm ihrer Mutter mit dem gagatbesetzten Kragen und Manschetten. Es roch nach Zuhause und dem Pfeifenrauch ihres Vaters. Wem sollte hier schon auffallen, dass sie jeden Abend dasselbe Kleid trug? Schließlich war sie in Trauer; wohl kaum eine Zeit, die Ballkönigin zu geben. So aufmüpfig sie sich fühlte angesichts des Wirbels, der um Gesellschaftsrituale getrieben wurde, bemühte sie sich doch tapfer, ihr Haar ohne die Hilfe einer Zofe oder einer Stewardess zu richten. Durch die feuchte Luft waren aus den losen Strähnen krause Locken geworden.
Sie hatte noch immer keinen Hunger, hörte sich jedoch die getragenen Serenaden und Walzer an, Musik, die ein Gefühl der Ruhe einflößen sollte. Die lebhafteren Melodien waren für den anschließenden Tanz reserviert.
Das Orchester hob ihre Stimmung, bis sie die Mahlzeit sah, die so schön vor ihnen aufgebaut wurde, und ihr Mut sank. Niemand konnte zehn Gänge verzehren, obwohl Mrs Grant den mutigen Versuch unternahm, sich durch alle hindurchzuarbeiten. Zweifellos würde sie später wieder leiden, dachte Celeste und verzog das Gesicht. Sie entschied sich für die Consommé Olga, den pochierten Lachs mit Sauce Mousseline, Sauté vom Huhn, schaffte aber den Hauptgang mit Lamm, Rind oder Ente nicht. Sie ließ den Punch Romaine aus, probierte das gebratene Stubenküken und die kalte Spargelvinaigrette, doch vor der Pâté de foie gras musste sie kapitulieren. Sie hatte nur noch Platz für die Pfirsiche in Chartreuse-Gelee. Entschieden blieb sie bei Wasser und lehnte alle Weine ab, die zu den einzelnen Gängen angeboten wurden. Gehaltvoller Wein stieg ihr zu Kopf und brachte sie leicht an den Rand der Tränen.
Grover hätte darauf bestanden, dass sie sich für sein Geld etwas leistete, aber Grover war nicht hier, dachte sie trotzig.
Gegen zehn Uhr war Mrs Grant halb eingeschlafen, und Celeste amüsierte sich damit, dem Plaudern und Gelächter ringsum zu lauschen, dem Klirren der Gläser. Sie genoss die Geräusche, bevor eine weitere Nacht anbrach und sie mit ihren zunehmend finsteren Gedanken allein blieb. Das Glitzern von Diamanten, die im Lampenlicht aufblitzten, der Duft von französischem Parfüm, das Schimmern von Seide und Federn waren von außen betrachtet ein Augenschmaus. Alle sahen so entspannt und prächtig aus, doch Celeste konnte diesem Ambiente nichts abgewinnen. Mit dem Herzen war sie nicht im Speisesaal der ersten Klasse mit seiner vergoldeten Üppigkeit und der Einrichtung im Louis-Seize-Stil, sondern sehnte sich nach dem, was sie zurückgelassen hatte.
Sie war es leid, bei Mrs Grant zu sitzen, die schwerhörig war und trotz ihrer Müdigkeit nun wieder Klatsch erzählen wollte.
»Es ist wie ein Club, wissen Sie; sie alle versammeln sich in Paris, Kairo … wo auch immer. Kapitän Smith ist ihr Liebling, deshalb sind sie jetzt alle hier. Sie reisen nur auf seinem Schiff. Er hatte noch nie einen Unfall …«
»Und was ist mit dem Zwischenfall, bevor wir Southampton verließen?«, fragte Celeste.
»Da haben Sie es doch, es ist nichts passiert, und das nur, weil Kapitän Smith so viel Glück hat.«
Es hatte keinen Sinn, etwas dagegenzuhalten, und Celeste langweilte sich entsetzlich. Sie versuchte, nicht zu gähnen. Wieder einmal ärgerte sie sich, dass sie – eine ehrbare verheiratete Frau – nicht allein sitzen konnte. Sie wünschte keine unnötige Aufmerksamkeit von den alleinstehenden Männern, die ihren Tisch mit Interesse beäugten. Auch wenn sie einen exklusiven Zirkel kichernder Frauen um sich versammelt hatten, blieb ihnen noch immer Zeit genug, ihr einladende Blicke zuzuwerfen, ob sie nun trauerte oder nicht. Sie würde sie auch an den nächsten drei Abenden abwehren müssen.
Als Celeste in ihre Kabine zurückkehrte, kam eine Stewardess, um ihr beim Auskleiden zu helfen. Sie lachte, als Celeste ihren vollen Bauch berührte und stöhnte.
»Das ist noch gar nichts, Madam. Wir kommen zum ›Teufelsloch‹, wo die Eisberge schwimmen und das Wasser kocht.«
»Oh, sagen Sie mir so etwas nicht!«, bat
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