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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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ebenso von den Stewarts geweckt worden wie sie. Dann rannte zu ihrem Entsetzen ein Heizer auf sie zu, das Gesicht überzogen von Ruß, Verbrennungen und Blut, und reckte eine Hand in die Höhe, von der die Finger abgerissen waren. Er war sprachlos und ballte nur die Faust.
    Der Offizier, der ihm am nächsten stand, eilte herbei, um ihn beiseitezuschieben. »Nicht hier!«, blaffte er ihn an, doch einer der Passagiere sprang vor.
    »Besteht Gefahr?«, fragte er den Verletzten und hielt seine Frau und seinen kleinen Jungen von dem schrecklichen Anblick fern.
    »Gefahr, das kann man wohl sagen!«, brüllte der Mann. »Da unten ist die Hölle los. Das Schiff sinkt!«
    Celeste wurde von würgender Angst gepackt. Das hier war Wirklichkeit. Die Offiziere verwandelten sich rasch in Wachen, die sie mit Nachdruck an Sammelstellen brachten und niemand anderen durchließen. Es war kurz nach ein Uhr morgens, die Nacht war bitterkalt, die Sterne leuchteten hell.
    Celeste hielt auch weiterhin nach Mrs Grant Ausschau, konnte sie aber nicht sehen. »Ich muss wieder zurück«, sagte sie und versuchte, die Treppe hinunterzugehen. »Da ist eine alte Dame, sie hört nicht gut …« Sie wurde jedoch weiter hinauf zum Bootsdeck gedrängt. Gerade ließ man die Taue an den gewölbten Bootskränen ab, an denen die Rettungsboote hingen.
    »Wir gehen doch da nicht rein, oder?«, fragte eine der Frauen.
    »Ich muss Mrs Grant finden«, wiederholte Celeste, ohne jemanden direkt anzusprechen, bevor sie sich wieder umwandte. »Vielleicht hat sie die Anweisungen nicht gehört.«
    Ein Offizier stellte sich ihr in den Weg. »Sie gehen nirgendwohin, Miss.«
    »Aber sie ist alt und äußerst schwerhörig!«
    »Der Stewart wird sich um sie kümmern. Sie bleiben jetzt da, wo Sie sind!«
    Was blieb ihr anderes übrig, als sich zu fügen? Sie stand zusammengedrängt mit den anderen Frauen, die nicht halb so dick angezogen waren wie sie, einige mit kleinen Kindern, die in Decken eingewickelt waren, um die Kälte abzuhalten.
    »Lasst die Boote ab!«, riefen mehrere Stimmen gleichzeitig.
    »Frauen und Kinder zuerst!«, brüllte ein Offizier streng. »Nur Frauen und Kinder!«
    Celeste sah, wie Ehemänner und Väter instinktiv zurücktraten, ohne zu protestieren, und ihre Familien zu den Rettungsbooten schoben. Einige Frauen klammerten sich an ihre Männer und weigerten sich, näher an die schwankenden Boote zu gehen.
    »Geh, Liebste … Ich folge später im Boot der Männer … Bitte, denk an die Kinder«, sagte ein Mann, hob ein schlafendes Kind in die Arme eines Matrosen im Boot, denn er wusste, dass seine Frau dann keine andere Wahl hatte, als zu folgen.
    Celeste zog sich instinktiv mit den Männern zurück. Sie würde nicht die Erste sein, die in die zerbrechlichen Holzboote stieg, solange die alte Frau nirgendwo zu sehen war. Dann drängte sich ein junger Mann, der die leeren Plätze gesehen hatte, nach vorn und machte Anstalten, ins Boot zu springen. Die Offiziere rissen ihn sofort zurück. »Jetzt nicht, mein Sohn! Frauen und Kinder zuerst.«
    Zwei Rettungsboote wurden abgelassen und entschwanden den Blicken. Celeste war entsetzt, als sie sah, dass ein Boot fast leer war. Dennoch konnte sie sich nicht von der Stelle rühren, ständig suchte sie die Menge nach Mrs Grant ab.
    Als das dritte Boot zur Hälfte voll war, packte ein Matrose sie am Arm. »Zeit zu gehen, gnädige Frau«, befahl er.
    Celeste blieb wie angewurzelt stehen. »Ich kann nicht!«
    »Sie können, und Sie werden«, sagte er, schlang beide Arme um ihre Taille, schleifte sie nach vorn und warf sie förmlich ins Rettungsboot. Sie landete hart, riss sich aber rasch zusammen und setzte sich auf einen Platz. Sie schaute auf und sah einige ihrer Mitreisenden, die mit ihren Männern zurücktraten und den Kopf schüttelten, während sie an den anderen Decks vorbei zu Wasser gelassen wurde. Menschen hingen aus Bullaugen und winkten verzweifelt um Hilfe, doch das absteigende Boot hielt nicht an, um sie aufzunehmen.
    Celeste wagte nicht, nach unten zu schauen. Das Boot schwankte heftig, und Kinder schrien ängstlich auf. Sie schlugen hart auf der Wasseroberfläche auf. Nah, allzu nah erblickte sie die Eisberge, die wie blaue Gebirge aufragten, einen mit doppelter Spitze, schön, aber unheilvoll, und spürte die Kälte, die sie ausstrahlten. Erst als sie wegruderten, bemerkte sie den unnatürlichen Winkel, mit dem das große Schiff im eiskalten Wasser lag. Auf jedem Deck und aus jedem Bullauge

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