Schiff der tausend Träume
aus der Sache raus. Ich kann mich jederzeit von dir scheiden lassen, weil du mich verlassen hast, nur tue ich das nicht.« Er lächelte kalt.
»Aber Roddy gerät ganz durcheinander, und wir setzen ihm kein gutes Beispiel. Er wird in seiner Loyalität hin- und hergerissen.«
»Daran hättest du damals denken müssen, als du dein Zuhause verlassen hast.« Er drehte ihr den Rücken zu, aber so wollte sie sich nicht abspeisen lassen.
»Du weißt genau, warum ich gegangen bin. Ich kann nur hoffen, dass du deine neue Geliebte besser behandelst als mich«, rief sie. Er fuhr herum und sah sie mit funkelnden Augen an.
»Sie weiß, wie sie sich zu verhalten hat – im Gegensatz zu dir. Wenn du die Scheidung willst, nur zu! Du wirst schon sehen, wie weit du damit kommst. Roderick weiß auch, was gut für ihn ist.«
»Ich hoffe um seinetwillen, dass du recht hast. Er ist das einzig Gute, das unsere Ehe hervorgebracht hat. Er muss selbst entscheiden dürfen, wie sein Lebensweg aussieht.«
»Er konnte es kaum erwarten, aus deinen Fängen zu fliehen. Seine Briefe waren voll davon, wie viel Langeweile er hatte«, höhnte Grover.
»Das entschuldigt doch nicht, was du getan hast. Was für ein Vater betäubt seinen eigenen Sohn und verfrachtet ihn aufs Schiff wie Schmuggelware?«
Zumindest besaß er so viel Anstand, bei ihrer Anschuldigung zusammenzuzucken.
»Ein Vater, der weiß, was das Beste für seinen Sohn ist, wenn ein richtiger Mann aus ihm werden soll«, erwiderte er, und Celeste wusste nun endlich, dass ihre Vermutungen über Roddys Entführung zutrafen.
»Wie kann ein Junge wissen, was er will? Aber jetzt weiß er es. Wenn ich du wäre, würde ich mich in Acht nehmen, er wird dich eines Tages noch in Erstaunen versetzen.« Mit den gegenseitigen Anschuldigungen waren ihre Stimmen immer lauter geworden, und Celeste konnte ihren aufkommenden Zorn kaum noch zügeln. »Ich bin nur wegen Roddy auf der
Titanic
zurückgekommen. Manchmal wünschte ich, ich wäre in jener Nacht ertrunken!«
»Schade, dass du es nicht bist. Du hättest uns allen viel Ärger erspart. Ich denke, du hast jetzt genug gesagt. Es ist Zeit für dich zu gehen.«
»Ich gehe, wenn ich bereit dazu bin!«, schrie sie. Im selben Raum wie er zu sein, schürte ihre Abscheu, aber auch ihren Kampfgeist.
»Das werden wir noch sehen! Übrigens ist hier ein Telegramm, das du vielleicht lesen möchtest … über deine kleine Busenfreundin.« Er warf ihr das Schreiben entgegen. Es war bereits geöffnet. Sie las den Inhalt und starrte ihn hasserfüllt an – er hatte es ganz bewusst bis zu diesem Moment zurückgehalten. »Du abscheulicher Mistkerl!«
Sein höhnisches Lächeln sprach Bände. Er sah mit an, wie ihr alle Farbe aus dem Gesicht wich, während sie das Telegramm ein zweites Mal las. Kopfschüttelnd stürmte sie aus dem Zimmer und schlug voller Wut die Tür zu.
»Ruf mir ein Taxi«, rief sie Harriet zu, die unschlüssig an der Tür gewartet hatte. »Ich muss sofort abreisen.«
Kurze Zeit später stand sie mit gepackten Koffern auf dem Bahnsteig und wartete auf den Zug nach New York. Es regnete in Strömen.
Roddy war schockiert über die Nachricht, dass May krank war, und auch darüber, dass sein Vater schon seit Tagen davon gewusst hatte, da das Telegramm an sein Büro adressiert gewesen war. »Ich werde Ella schreiben, das verspreche ich. Ich wünschte, du müsstest noch nicht abreisen. Was hat Vater gesagt, das dich so wütend gemacht hat?«
»Nichts, was nicht vorher schon gesagt wurde. Aber es ist Zeit, dass ich fahre.« Celeste umfasste die Hände ihres Sohnes. »Ich weiß, du wirst deinen Weg machen, wofür auch immer du dich entscheidest im Leben. Ich vertraue darauf, dass du immer das Richtige und Ehrenhafte tun wirst. Das Band, das zwischen uns besteht, kann keiner je brechen, aber ich muss zurück.« Sie seufzte. »Es klingt sehr ernst. May ist für mich wie eine Schwester. Sie und ich mögen aus unterschiedlichen Schichten stammen, aber jene Nacht im Rettungsboot hat uns für immer verbunden. Ich kann es nicht erklären. Vielleicht wirst du eines Tages etwas Ähnliches erleben. Es ist eine ganz spezielle Freundschaft, wie es sie sonst nicht gibt, zusammengeschweißt durch die Glut einer gemeinsamen Erfahrung. Manchmal habe ich das Gefühl, dass die
Titanic
mich mein Leben lang verfolgt, aber sie hat mir May gebracht, und dafür werde ich ewig dankbar sein. Sie war für meinen Vater und für mich da, als er starb und du … Du verstehst
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