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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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doch, warum ich zu ihr fahren muss, oder?«
    Er nickte, und ihm fiel ein, dass er sie noch nie von dieser besonderen Freundschaft hatte reden hören.
    »Bleib dir selbst nur immer treu, junger Mann«, fuhr sie fort. »Lass dich auf keinen Unsinn ein. Dein Vater ist ein zutiefst unglücklicher Mensch. Bitte glaube nicht, dass alle Ehen so sind wie die, die du miterleben musstest.«
    Als der Dampf des einfahrenden Zuges sie umhüllte, überkam Celeste plötzlich die Angst, dies könne ein Abschied für immer sein. »Bitte melde dich, ja? Und, Roddy, komm uns eines Tages besuchen«, schluchzte sie. »Es fällt mir so schwer, dich jetzt zu verlassen.« Vor lauter Tränen wusste sie kaum, wie sie ihm die Hand geben sollte.
    »Ist schon gut, Mom, wir werden uns bestimmt eines Tages wiedersehen. Ich werde schreiben, das verspreche ich, und ich werde über alles nachdenken. Du bist hergekommen – ich habe es immer gewusst. Du bist die einzige Mutter, die ich habe und die ich jemals will.« Er beugte sich vor und nahm sie fest in die Arme, und sie weinte in einer Mischung aus Verwirrung, Erleichterung, Schmerz und Angst. »Pass auf dich auf, mein Sohn, pass gut auf dich auf …«
    »Bis bald«, rief er, als sie einstieg und für einen letzten Blick auf ihren geliebten Sohn noch einmal aus dem Fenster sah. Der Zug fuhr ab, und Roddy lief noch winkend mit, bis der Bahnsteig endete.
    Celeste wandte sich ab und schluckte schwer. Es war hart, sich so plötzlich verabschieden zu müssen, aber was sollte sie tun? Nun lag die lange Heimreise vor ihr, aber sie würde ihr Gelegenheit geben, über alles nachzudenken, was in Akron passiert war, über ihr Gespräch mit Grover und die langen Spaziergänge mit ihrem Sohn.
    Was erwartete sie in Lichfield? Sie musste unbedingt rechtzeitig zurück sein. Die Geschichte dürfte sich auf keinen Fall wiederholen – damals hatte sie keine Zeit mehr gehabt, sich von ihrer Mutter zu verabschieden. Sie flehte innerlich zu Gott, dass ihr noch ein paar kostbare Momente mit der Freundin vergönnt wären.
    Am Bahnhof von Lichfield angekommen, eilte Celeste direkt ins Krankenhaus und betete, dass es May wieder besserginge und sie fröhlich im Bett sitzen und sie schelten möge, dass sie so lange gebraucht hatte. Während der zermürbenden Zeit auf dem Schiff hatte sie Pläne für einen gemeinsamen Urlaub geschmiedet – vielleicht nach Wales oder gar ins Ausland, wenn sie May überreden könnte, den Kanal zu überqueren.
    Doch der Anblick ihrer Freundin schockierte sie zutiefst, und vor lauter Schreck fühlte sie sich so schwach, dass sie einer Ohnmacht nahe war. May war kaum bei Bewusstsein, konnte ohne Sauerstoff nicht mehr atmen und war so abgemagert, dass Celeste sie kaum wiedererkannte. Nur ihre grauen Augen blickten aufmerksam wie immer.
    »Ich bin hier, May. Ich bin wieder da und gehe nicht mehr weg, bis es dir wieder bessergeht.«
    May schob die Sauerstoffmaske vom Gesicht und hauchte: »Das wurde auch Zeit. Ich habe nur auf dich gewartet. Ich dachte, du würdest es nicht mehr schaffen.« Röchelnd holte sie Luft. »Ich muss dir etwas sagen … dir allein.«
    »Was ist es denn, meine Liebe?« Celeste konnte selbst kaum sprechen, da ihre Tränen sie fast erstickten.
    »Es geht um Ella und die Nacht auf der
Titanic
. Du musst es ihr sagen. Sie ist nicht mein Kind. Sie war es nie.«
    Nein, nicht das schon wieder, dachte Celeste. May sprach wirres Zeug, und plötzlich überkam sie die Erschöpfung nach ihrer langen Reise. »Schsch, May, ich war doch dabei, weißt du nicht mehr? Ich habe sie doch bei dir gesehen.« Sie beugte sich vor und drückte May die Hand, doch die zog sich zurück.
    »Nein, nein. Sie haben mir das falsche Baby gegeben, und ich habe es niemandem gesagt. Es tut mir leid, aber so wahr mir Gott helfe, es ist die Wahrheit.« Erschöpft sank May zurück auf ihr Kissen.
    »O Gott, May… Bist du sicher?« Celeste fühlte sich wie betäubt. War das die Wahrheit? Hatte May in jener schrecklichen Nacht tatsächlich das Kind einer anderen angenommen?
    »Eine Mutter erkennt ihr Kind, vor allem, wenn es blaue Augen hatte, nicht schwarze …«
    »Wer weiß sonst noch davon?«, flüsterte Celeste. »Oh, May, nach all der Zeit …«
    »Ich konnte sie nicht mehr hergeben, nicht, wo Ellen doch tot war. Liebste Celeste, es tut mir so leid, dass ich dies nun dir überlasse. Sei mir auch hierin eine Freundin, ich flehe dich an«, flüsterte sie mit schwindender Kraft. Ihr Blick wurde unklar, als

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