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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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gehört hatte. Sie wollte es leugnen, abstreiten, Augen und Ohren davor verschließen, und dennoch spürte sie mit schrecklicher Gewissheit, es war die Wahrheit. Ellen war der Name, den ihre Mutter in der Heilanstalt gerufen hatte, und »Du bist nicht meine Tochter« hatte sie damals am Strand geschrien. Es war bestimmt die Wahrheit. Geheimnisse und Lügen, all die Jahre über! Es kam ihr im Nachhinein wie Hohn vor: all der Unsinn über Joe Smith, den Seemann, der dem Meer zum Opfer gefallen war! Ihr fielen seltsame Momente ein, kurze Gespräche mit May, abgebrochene Sätze, die sie nie zu Ende gebracht hatte.
    Es war, als lösten sich die fein gestickten Stiche ihrer Lebenslinie auf, so dass nur noch verknäulte, zerrissene Fäden übrigblieben. Mit wenigen Worten hatte Celeste ihre ganze Lebensgeschichte zerstört. Wer bin ich? Wer war ich? Wo komme ich her? Gibt es überhaupt noch jemanden, der etwas darüber weiß?
    »Was willst du überhaupt hier?«, schrie sie laut. »Du bist eine Fälschung, ein Niemand, eine Betrügerin!« Wie von Sinnen warf sie Papiere auf den Boden, schmiss ihr Werkzeug durcheinander, packte einen Meißel und zerkratzte das Gesicht einer Studie, an der sie gearbeitet hatte, ein Gesicht im Stein, das irgendwie zu dem Gesicht ihrer Mutter geworden war. »Ich hasse euch alle!«, brüllte sie und hieb auf den Modellguss ein. Monatelange Arbeit fiel einer Wut zum Opfer, die immer mehr wuchs, bis Ella ganz erschöpft dastand und mit brennenden Augen das Chaos begutachtete, das sie angerichtet hatte. »Ich bleibe nicht länger hier …«
    »O doch, das wirst du, junge Dame. Du wirst dieses Durcheinander aufräumen. All die schöne Arbeit – nur durch deine Wut zerstört!« Onkel Selwyn kam herein und beleuchtete mit seiner Laterne das Chaos. »Was für eine verdammte Verschwendung … Fühlst du dich jetzt besser?«
    »Geh weg!«, fauchte sie.
    »Du kennst jetzt also die Wahrheit, und du bist wütend. Mit Recht … Alle haben dir etwas vorenthalten … Du bist nicht die, die du zu sein glaubst.«
    »Du verstehst das nicht, wie könntest du auch?« Ellas Zorn flammte erneut auf. Was wusste er schon!
    »Sag du mir nicht, was ich verstehen oder nicht verstehen kann.« Selwyn kam auf Ella zu und sah sie ernst und ruhig an. »Ich dachte, ich wäre ein Gentleman und Anwalt, ein angesehener und rechtschaffener Bürger, aber als ich auf der Leiter im Schützengraben stand und nach oben kletterte, merkte ich, dass ich einfach nur ein Mensch war: eine Bestie, ein Mörder, ein geistloser Automat, der andere Männer ins Gemetzel führte und sie dann in Stücke und Fetzen gerissen sah. Ich bin ein Mann, der in blindem Hass Fremde mit dem Bajonett erstochen hat. Der Mann, der aus dem Niemandsland zurückkehrte und dann wieder zum Appell antrat, war nicht mehr derselbe, der er auf dem Schlachtfeld gewesen war. Ich habe Jahre damit verbracht herauszufinden, wer ich bin und was das alles soll.
    Du hast also dein bisheriges Leben, dein Zuhause und all die Liebe von einer Fremden bekommen? Hast du sie je als Fremde betrachtet? Hat May nicht all ihre Kraft und ihren letzten Penny für dich gegeben? Sie mag nicht deine leibliche Mutter gewesen sein, aber wage nicht zu behaupten, dass sie dich nicht liebte … Du hast jetzt einen Schock erlitten, einen schrecklichen Schock, und es wird sicher so einiges für dich ändern. Aber dieses Wissen kannst du nicht mehr rückgängig machen. Sicher, das wäre durchaus ein Grund, dich selbst zu bemitleiden, ein Grund, um zu schmollen und es an uns auszulassen, dass wir dich getäuscht haben. Aber, liebe Ella, es gibt auch einen anderen Weg – und der wäre der schwerste: Du machst einfach mit dem weiter, was du gut kannst, in dem Wissen, dass irgendwer irgendwo dir ein wunderbares Geschenk mitgegeben hat: ein scharfes aufmerksames Auge und die Hände einer Künstlerin.« Selwyn marschierte auf und ab, ohne sie aus den Augen zu lassen.
    »Solange du mit diesen Geschenken arbeitest, leben sie weiter. Zerstöre sie, und sie werden sterben. Ist es das, was du willst?«
    Ella hatte Selwyn noch nie so lange sprechen gehört.
    »Aber ich will wissen, wer ich bin! Wieso darf ich nicht wissen, wo ich herkomme?«
    Selwyn zuckte mit den Schultern. »Das ist eine berechtigte Frage, aber nicht heute Abend. Am Weihnachtsfeiertag wird dir keiner Auskunft über solche Dinge geben, oder? Es ist kalt draußen. Alle sind im Bett. Ich kann dir noch einen Kakao kochen.«
    »Nein«, blaffte sie

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