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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Nebel, und unser Navigator braucht unbedingt eine bessere Brille und einen Auffrischungslehrgang. Zum Glück war der Flugplatz hier bei Lichfield auf unserer Karte verzeichnet, obwohl er noch nicht voll einsatzbereit ist. Wir müssen wohl mit einem kleinen Anschnauzer vom Hauptquartier rechnen.«
    Anthony Harcourt gab Selwyn eine Kurzfassung seiner Ausbildung vom Luftkadetten zum verantwortlichen Kampfpiloten. Im Moment war er in einem Ausbildungszentrum vierzig Meilen weiter östlich stationiert, wo er eine Mannschaft auf weitere Einsätze vorbereitete. Er stammte aus dem tiefsten Yorkshire, aber sein Akzent ließ nicht darauf schließen. Immer wieder blickte er verstohlen zu Ella und sah sich im Wohnzimmer um, als wollte er einen Hinweis auf Gemeinsamkeiten finden.
    »Ich weiß, dass es ziemlich verwegen ist, aber hätten Sie wohl die Freundlichkeit, mich heute Abend zum Essen zu begleiten? Wo ich schon mal hier bin, kann ich ja auch genauso gut die örtlichen Besonderheiten erkunden.«
    »Ich bin ja schon vieles genannt worden, aber ›örtliche Besonderheit‹ noch nie«, meinte Ella lachend, die diesen aufgeblasenen Kerl gern zurechtgestutzt hätte. Er musste einige Jahre jünger sein als sie.
    »Nein, was ich meinte war … Ich habe einen Tisch im
George
bestellt.« Dann sah er zu Selwyn. »Ich garantiere, dass Ihre Tochter zur Nachtruhe wieder hier ist.«
    »Miss Smith ist nicht meine Tochter. Sie ist sehr wohl selbst in der Lage zu entscheiden, wann sie wieder zu Hause sein will. Aber meinten Sie nicht, Sie sollten vorher nach ihrem Namen fragen, bevor Sie sie in Ihrer Kutsche entführen?« Selwyn bemühte sich, ernst zu bleiben, was ihm nur schwer gelang.
    »Ach, herrje, da hab ich’s wohl wieder mal vermasselt, oder, Miss Smith?« Er besaß immerhin den Anstand zu erröten.
    »Nennen Sie mich Ella.« Sie lächelte und streckte ihre Hand aus. »Und ich komme gern mit Ihnen«, hörte sie sich zu ihrer eigenen Überraschung sagen. »Und wenn es nur ist, um der Fischpastete zu entfliehen, die es bei uns heute Abend gibt und die ich nicht mag. Geben Sie mir fünf Minuten zum Umziehen.« Sie deutete auf ihren mit Gips verschmierten Arbeitskittel.
    »Ella ist Künstlerin. Normalerweise läuft sie nicht so eingedreckt herum, aber im Moment arbeitet sie an etwas in ihrer Werkstatt. Also, junger Mann, was haben Sie vor dem Krieg gemacht?«, setzte Selwyn seine Befragung fort.
    Ella hastete nach oben. Was sollte sie anziehen? Da wären ihr Sonntagskostüm oder Rock und Bluse. Ihr bestes Kleid war zu formell. Plötzlich schien ihr nichts gut genug. Sie wünschte, sie hätte eine Uniform wie er. Irgendetwas musste doch noch hinten in ihrem Schrank sein! Alles wirkte so eintönig. Doch als sie die Schranktür öffnete, schlug ihr der Geruch von Mottenkugeln entgegen. Nicht mal das beste Parfüm der Welt könnte den überdecken. Wenn sie doch nur etwas Vorwarnung gehabt hätte! Dann fand sie eine langärmlige Folklorebluse mit bestickten Kragen und Manschetten, die sie irgendwann einmal in Italien gekauft hatte. Die passte bestimmt gut zu ihrem Plisseerock und der Jacke.
    Sie löste ihren Knoten und band das Haar locker mit einem Tuch zusammen. Dann kniff sie sich in die Wangen und trug vorsichtig ihren kostbaren Lippenstift auf. Warum zitterten ihre Hände nur so? Warum war sie so darauf bedacht, einen guten Eindruck zu hinterlassen? Warum hatte der Anblick dieses jungen Mannes sie plötzlich so nervös gemacht?
    Dabei hatte der Tag ganz normal begonnen. Sie hatte ihre Hausarbeit erledigt, in der Werkstatt gearbeitet und den Hund spazieren geführt. Und dann war ihr aus heiterem Himmel dieser junge Mann vor die Füße gefallen. Wie unverfroren, hier einfach aufzutauchen und zu erwarten, dass sie alles stehen und liegen ließ, um ihm Gesellschaft zu leisten. Und doch tat sie genau das.
    Es sah ihr gar nicht ähnlich, sich herauszuputzen, als sei dies der wichtigste Abend ihres Lebens, wo er sich doch nur die Zeit vertreiben wollte, bis er wieder zu seinem Stützpunkt und aus ihrem Leben verschwand.
    Als sie wieder nach unten ging, waren die beiden Männer nirgends zu sehen, bis sie entdeckte, dass Selwyn den jungen Piloten aus ihrer Werkstatt in den Garten führte. Der Schuppen war eine Rumpelkammer, und sie mochte es nicht, wenn Fremde darin herumstöberten. Doch es war typisch Selwyn, dafür zu sorgen, dass man nicht mit ihr spielte, indem er ihrem Verehrer gleich zeigte, was sie arbeitete und mit welchen Werkzeugen.

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