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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Dann tauchst plötzlich du auf, als wärst du geradewegs von der Filmleinwand gestiegen. Wir waren dazu bestimmt, uns zu begegnen. Es steht alles in den Sternen. Ich bin übrigens Fische – Element Wasser, wie man mir sagte.«
    Die Anspannung zwischen ihnen ließ nach, während sie beim Essen über ihre Leidenschaft zur Kunst und seine zur Fliegerei redeten. Sie erzählten einander von den Einschränkungen, die der Krieg mit sich brachte, ihren Hoffnungen für die Zukunft, ihren Familien. Noch nie hatte sie so offen mit einem Mann gesprochen. Anthony mochte erst dreiundzwanzig sein, aber er hatte eine Müdigkeit im Blick, die ihn älter wirken ließ. Neben ihm fühlte sie sich jünger, unerfahren und unschuldig, und sie schämte sich, dass sie ihn für oberflächlich und unverfroren gehalten hatte. Es war sein Schutzmantel für das, worauf er sich vorbereiten musste.
    »Musst du morgen schon wieder abreisen?«, wollte sie wissen.
    »Ich muss bis vier Uhr nachmittags zurück sein. Wieso?«
    »Ich würde dir gern unsere Kathedrale zeigen. Im Gottesdienst singt der Chor, und du könntest noch bei uns zu Mittag essen. Ich verspreche auch, dass es keine Fischpastete geben wird.« Sie kicherte. »Vielleicht kommst du ja nie wieder nach Lichfield.«
    Er sah sie so eindringlich an, dass sie Schmetterlinge im Bauch spürte. »Ich werde wiederkommen. Spiel nicht mit mir, Ella. Jetzt, wo ich dich gefunden habe, wirst du mich nicht so leicht wieder los.«
    Unter dem Licht des Vollmonds fuhren sie schweigend nach Hause. Ella spürte die Anspannung in seinen Händen und seinem Körper, während er sie immer wieder ansah. Sie fühlte, wie ihr Herz klopfte, und versuchte, jede einzelne Sekunde zu genießen. Der Geruch der Lederbezüge und des Zigarettenrauchs verband sich mit ihrem Parfüm, eine verwirrende, aufregende Mischung.
    »Sieh nur, wir haben Vollmond – Bombermond«, sagte er seufzend mit Blick nach oben. »Irgendwo ist jetzt irgendjemand in Schwierigkeiten.« Er küsste ihre Wange, und instinktiv drehte sie ihm den Mund zu und wurde nicht enttäuscht. »Gute Nacht, Anthony«, flüsterte sie und löste sich widerstrebend von ihm. Sie war nicht sicher, ob das alles nicht nur ein Traum war.
    »Cinderellas Kürbis muss zurückgebracht werden«, rief er lachend. »Morgen werde ich wohl auf Schusters Rappen kommen.«
    »Soll mir recht sein, dann können wir über die Felder in die Stadt laufen. Danke für den wundervollen Abend.« Noch lange, nachdem das Brummen seines Motors verklungen war, blieb sie stehen und fühlte sich verlassen. Es war Wahnsinn, ein Trugbild der Liebe, aber noch nie hatte sie sich in Gegenwart eines Mannes so lebendig, so wunderbar gefühlt. An Schlaf war nicht zu denken. Wie könnte sie solch ein Gefühl vergeuden?
    Sie schob sich das Nachthemd in die Arbeitshose und zog einen dicken Pullover über, dann nahm sie die Stalllaterne, ging in ihre Werkstatt und dichtete die Fenster nach den Regeln der Verdunkelung ab. Im Schein der Lampe begann sie zu zeichnen. Immer noch erhitzt von der Erinnerung an seinen Kuss, bannte sie jedes Detail von Anthonys schönem Gesicht auf Papier – die leicht asymmetrischen Gesichtshälften, die Haartolle, die vollen Lippen, die ihre berührt hatten. Was passierte hier? Wie konnte ein Tag ein ganzes Leben verändern? Fest stand, dass es geschehen war, und nun würde ihr Leben nie wieder dasselbe sein.

104
    Celeste konnte kaum fassen, welche Wandlung Ella in den folgenden Wochen durchlief. Es war, als ginge sie mit Sprungfedern unter den Schuhen voran. Als sie eines Nachmittags ihren Verehrer vorstellte, konnte Celeste den verzückt-verliebten Blick in ihren Augen erkennen. Anthony hatte sich für achtundvierzig Stunden beurlauben lassen und ein Motorrad ausgeliehen, mit dem er quer durchs Land gefahren kam, um erst Ella, dann sie zu besuchen – Ella als Klammeraffe hinter ihm, das dunkle Haar unter einen schwarzen Schutzhelm gestopft.
    Man sah ihnen das typische Leuchten eines frisch verliebten Pärchens an. Ellas Gesicht glühte vor Aufregung, als hätte dieser junge Mann ihr Leben völlig auf den Kopf gestellt. Bevor er in ihr Leben getreten war, hatte sich bei ihr alles nur um Kriegsdienst gedreht und die heftigen Diskussionen um Frauen, die der Heimwehr beitraten. Man hielt es für unziemlich, dass Frauen ihr Zuhause mit Waffen verteidigten, was Ella wütend machte. Sie meldete sich zur Nachtwache für Beschusswarnungen, was bedeutete, dass sie nachts allein im

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