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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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Bei einer Frau, die gekonnt mit Hammer und Meißel umzugehen wusste, sollte man sich besser nicht zu viele Freiheiten herausnehmen, so lautete die stumme Warnung.
    Anthony starrte sie an. »Sie sehen wunderschön aus, und diese Büste in Ihrer Werkstatt sollte in einer Galerie stehen.«
    »Ich arbeite noch daran. Also, was haben Sie gemacht, bevor das alles hier losging?«
    »Ich habe studiert, in Cambridge, am Trinity College, und mich dann sofort zur Luftwaffe gemeldet. Ihnen würde gefallen, was wir zu Hause alles herumstehen haben. Mein Vater ist so etwas wie ein Sammler. Ich interessiere mich mehr für Musik … Klassik, Jazz …« Er sah auf die Uhr. »Aber wir gehen jetzt besser. Ich werde gut auf sie aufpassen, Mr Smith.«
    »Mein Name ist Selwyn Forester. Wie ich bereits sagte, sind Ella und ich leider nicht verwandt, aber das hält mich nicht davon ab, ihren Gästen auf den Zahn zu fühlen.« Er lachte. »Ich wünsche dir einen schönen Abend, meine Liebe, und mach dir nur keine Sorgen, dass ich Mrs Allens Fischpastete ganz allein aufesse. Spare beizeiten, dann hast du in der Not. Wir können sie morgen immer noch für dich aufwärmen«, rief er ihr fröhlich von der Tür aus hinterher.
    Sie wurden zu einem Tisch in der hinteren Ecke der Gaststube des alten Posthotels geführt. Das Menü bestand aus zwei Gängen. Anthony bestellte Wein und bot ihr eine Zigarette aus einem alten goldenen Zigarettenetui an. »Das gehörte meinem Großvater und ist für mich so etwas wie ein Talisman.«
    Sie lehnte dankend ab; Rauchen hatte für sie keinen Reiz. Was mache ich hier nur?, fragte sie sich. Dies war ein großer Fehler. Sie hatten nichts gemeinsam. Er war noch ein kleiner Junge, mindestens fünf Jahre jünger als sie, und dennoch kam sie sich wie ein Schulmädchen vor, aufgeregt und nervös. Worüber sollten sie nur sprechen?
    »Erzählen Sie mir etwas von sich«, begann sie, um ihm zuvorzukommen.
    »Über Anthony Giles Claremont Harcourt ist nicht allzu viel zu sagen.« Er stockte kurz. »Der Name hat’s in sich, ich weiß. Meine Eltern leben in einem alten Gemäuer in der Nähe von Thirsk. Ich bin Einzelkind und adoptiert, also weiß ich gar nicht genau, woher ich eigentlich stamme.« Er sah sie an und erwartete wohl einen mitleidvollen Blick, doch sie schüttelte nur verwundert den Kopf.
    »Wie seltsam, ich auch! Na ja, so ungefähr«, sagte sie, und spontan entschloss sie sich, zum ersten Mal jemandem von ihrer eigenen seltsamen Geschichte zu erzählen, von Mays Reise auf der
Titanic
und ihrer Freundschaft mit Celeste. Allein die Tatsache, dass niemand wusste, wer sie wirklich war, ließ sie aus.
    »Warum sage ich Ihnen das alles?«, fragte sie am Ende erschrocken und sah in seine strahlenden graugrünen Augen. Es war eigenartig, aber sie hätte am liebsten losgeheult, während ihr die Worte aus dem Mund gesprudelt waren.
    »Du weißt, warum«, erwiderte er lächelnd und griff nach ihrer Hand. »Weil du es musst. Wir haben vieles gemeinsam. Warum sonst hätte ich von allen Feldern in England ausgerechnet auf deinem landen sollen? Warum hast du ausgerechnet in diesem Moment deinen Hund ausgeführt? Warum teilen wir ein ähnliches Schicksal? Ich habe nie nach meinen Eltern gefragt. Ich könnte nachforschen, aber ich will es nicht. Sybil und Tom sind meine Eltern, und ich liebe sie. Ich muss sonst nichts weiter wissen, aber deine Geschichte ist anders. Eine Überlebende der
Titanic
… Ich habe schon ein oder zwei kennengelernt, aber die waren älter. Und der Sohn unserer Nachbarn ist ertrunken, ihr einziger Sohn und Erbe.«
    »Du bist der erste Mensch außerhalb meiner Familie, dem ich das je erzählt habe. Ich verstehe das nicht.« Ella spürte, dass sie rot wurde.
    »Sieh mich an. Spürst du nicht, dass das alles geschehen muss?«
    »Das ist billiger Romankitsch. An solche Albernheiten glaube ich nicht.« Es wurde zu persönlich, zu ernst, und dennoch wollte sie ihm ihre Hand nicht entziehen.
    Anthony ließ sich durch ihre Abwehr nicht täuschen. »Wenn der Krieg uns eines lehrt, dann, dass man den Augenblick nutzen muss. Ich habe schon zu viele gute Männer im Training draufgehen sehen, die noch nicht einmal ein richtiges Leben hatten. Man wird schnell erwachsen im Krieg. Ich nehme jeden Tag, wie er kommt, und heute ist etwas Außergewöhnliches geschehen. Mein Motor hat bei einem Routineflug ausgesetzt. Wir hätten draufgehen können, aber plötzlich war da ein Feld, und ich konnte die ganze Chose retten.

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