Schiff der tausend Träume
haben dieses ganze Wochenende auf dem Land für uns, dachte Ella seufzend und betrachtete den friedlich schlafenden Anthony. Es war ein strahlender Februarmorgen, perfekt für einen ersten Spaziergang als Ehepaar. Glücklich beobachtete sie, wie die Sonne langsam über den kahlen Bäumen aufstieg. Sie hatte keine Ahnung, wie er es geschafft hatte, die zusätzlichen vierundzwanzig Stunden freizubekommen. Aber so blieb ihnen bis Sonntagabend geradezu ewig viel Zeit, bevor sie sich wieder voneinander verabschieden mussten.
Sie waren in Selwyns Austin mit zusammengebetteltem Benzin nach Oxfordshire in ein kleines Dorf namens Leafield gefahren, wo Anthony das Haus des Freundes eines alten Schulfreundes benutzen durfte.
Das kleine Haus mit Strohdach und schiefen Zimmerdecken war perfekt. Jemand aus dem Dorf hatte vorher die Räume gelüftet, Feuer gemacht und Schalen mit Hyazinthen verteilt, um jeglichen feuchten Geruch zu überdecken – eine überaus freundliche Geste.
»Das wird Simons Mutter gewesen sein. Sie wohnt auch hier irgendwo im Dorf.«
»Dann müssen wir hingehen und uns bei ihr bedanken«, sagte Ella und schnupperte an den Frühlingsblüten.
»Später.« Anthony lächelte. Eins nach dem anderen, sagte sein Blick, und er führte sie die knarrende Treppe hinauf. »Lass uns erst einmal das Bett einweihen.«
Ella blickte zur Decke und dachte erneut an den Moment, als sie ohne Angst vor Unterbrechung oder Unbehagen zusammenkamen, sich hinlegten, einander umarmten und gemeinsam das Wunder der körperlichen Liebe erforschten. Das Bett war ein kostbarer Zufluchtsort geworden, und sie versuchte nicht darüber nachzudenken, wann Anthony das nächste Mal Urlaub bekommen würde. Sie hatten ihrer Leidenschaft freien Lauf gelassen, begierig den Körper des anderen erkundet und immer wieder neue Möglichkeiten ausprobiert, Lust zu geben und zu empfangen. Schläfrig und zufrieden rief sie sich jeden einzelnen Moment ihrer Hochzeit ins Gedächtnis, deren Termin sie gerade noch vor der Fastenzeit hinbekommen hatten. Wie eine Prinzessin hatte sie sich gefühlt, als sie in einer Ponykutsche vor das Westportal der Kathedrale gefahren war, eingehüllt in die weiße Fuchsfellstola, die die Frau des Dekans ihr geliehen hatte. Sie hörte, wie die Orgel ihre Einzugsmelodie spielte, während sie den langen Gang der Marienkapelle entlangschritt. Sie liebte das Trumpet Voluntary von Jeremiah Clarke, weil es so fröhlich und britisch und hoffnungsvoll war. Der arme Anthony in seiner Ausgehuniform stand vor Nervosität ganz steif am Altar, während sie Selwyns Arm vor Aufregung fest umklammert hielt. Alle Menschen, die sie liebte, waren versammelt, um ihnen Glück zu wünschen. Hazel ging als Trauzeugin hinter ihr, in einem langen burgunderroten Abendkleid, das sie sich von einer Freundin geliehen hatte. Ella hoffte, dass ihre Mutter an diesem ganz besonderen Tag in irgendeiner Weise dabei war.
An Anthonys Blick würde sie sich ihr Leben lang erinnern, so stolz und so voller Liebe. Die Hochzeit hätte schöner nicht sein können, mit einem einfachen Empfang im Red House voller Uniformen, Zigarettenrauch, kurzen Ansprachen, Reden und Glückwünschen.
Celeste hatte darauf bestanden, dass sie das Hochzeitskleid ihrer Mutter trug, das sie hatte ändern lassen, damit es ihr passte, zusammen mit dem Schleier aus Brüsseler Spitze. Für die Hochzeitsreise und für später hatte Ella sich ein hübsches Kostüm mit Mantel und neuen Schuhen gegönnt. Mrs Allen hatte ihr einen Unterrock und Höschen aus weicher, teerosenfarbener Fallschirmseide genäht, mit cremefarbener Spitze an den Säumen. Sie hätte vor Freude und Dankbarkeit weinen können, dass sie so kurzfristig mit solch wunderbaren Geschenken bedacht wurde. Sogar von Roddy war ein Geschenkpaket gekommen einschließlich eines Stieltopfs, den sie gut gebrauchen konnten, da sie ihren alten im ersten Anflug von Patriotismus zu Beginn des Jahres an den Spitfire Fund verschenkt hatten.
Sie würde weiterhin im Red House wohnen müssen. In der Schule gab es zu wenig Lehrer, als dass sie nur wegen einer Heirat hätte gehen können. Anthonys Eltern bestanden zwar darauf, dass sie bei ihnen leben sollte, aber ihr Haus lag zu weit von seinem Stützpunkt entfernt. Sie wollte Anthony so nah wie möglich sein, und Lichfield lag einigermaßen zentral.
Jeder gemeinsame Moment musste wie eine Stunde gelebt werden, die Zeit sollte sich ausdehnen wie ein Gummiband. Die Liebe in Kriegszeiten war so
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