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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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zurückgehen. Der Kommandant kennt mich … Bringen Sie mich zum Kommandanten.
Capisce?
Ich kann alles erklären.«
    »Du bist amerikanischer Spion, entflohener Gefangener. Du wirst nicht ins Lager zurückkehren«, entgegnete der Militärpolizist hämisch. Seine Stimme klang hart und bedrohlich. Frank ging weiter auf die Männer zu und wappnete sich innerlich, als er das Klicken ihrer Gewehre hörte. Als die Kugeln in seine Brust drangen, blieb keine Zeit mehr zu beten.

117
    Roddy erwachte auf seiner Strohmatratze, eine Pferdedecke über ihn gebreitet. Er hörte ein Rascheln und lauschte aufmerksam auf jedes fremde Geräusch und den wunderbaren Gesang der Vögel da draußen. Wo war er? Verschwommen kam ihm die Erinnerung: seine Flucht im Lastwagen, Bauernhofgeruch, der Duft von Nudelsoße an seinen Fingern. Die Sonne war aufgegangen, und es juckte überall, aber er blieb liegen und versuchte, seine Chancen auf eine Flucht nach Hause abzuwägen.
    Dass er blond und blauäugig war, nur wenige Wörter Italienisch sprach und nur aus Barmherzigkeit bei Franks Familie Unterschlupf gefunden hatte, waren nicht gerade die besten Voraussetzungen. Er würde nicht lange bleiben können, aber schon diese eine Nacht tiefen Schlafs und das Abendessen hatten Wunder gewirkt. Er sollte sich tagsüber verstecken und erst im Dunkeln weiterziehen, aber er wusste, dass er die Bartolinis mit jedem Augenblick, den er hier war, in Lebensgefahr brachte.
    Was war das nur für eine Geschichte um diesen kleinen Schuh gewesen? Konnte es sein, dass Franks Vater recht hatte? Dass der Babyschuh von der
Titanic
stammte und ursprünglich aus dieser Gegend kam? Es klang zu sehr nach Zufall, aber Frank war entschlossen gewesen, ihn seiner Familie zurückzugeben.
    Er hatte ein großes Risiko auf sich genommen, als er Roddy hierherbrachte. Roddy hoffte nur, dass er es noch rechtzeitig ins Lager geschafft hatte. Die Miliz strich sicher mit Hunden durch die Berge, um die Spur flüchtiger Männer aufzuspüren.
    Wenn Roddy nachts Richtung Süden marschierte, stieß er sicher irgendwann auf die Alliierten. Wenn er doch nur ein paar Fakten hätte anstatt immer nur Gerüchte! Er überlegte, ob es hier in den Dörfern wohl Sympathisanten gab, die heimlich BBC über versteckte Radiogeräte hörten. Vielleicht könnte Franks Cousin die Wahrheit herausfinden, ohne Verdacht zu erregen. Er war ganz ihrer Gnade und Barmherzigkeit ausgeliefert, dass sie ihn so großzügig für den Rest des Tages versteckten. Er brauchte seine ganze Kraft und Schlauheit, wenn er überleben wollte.
    Da rief Franks Cousin ihn zum Frühstück; er bekam Schinken, Käse und Früchte mit Getreidekaffee und warmer Milch. Der junge Mann sprach ein paar Worte Englisch und zeichnete im Hof eine Landkarte in den Staub. »Du gehe über Berg in
mezzo notte.
Keine Pause, langer Weg.
Americanos
kommen,
si
? Keine bum bum mehr«, sagte er und imitierte Schüsse.
»Allora, vieni.«
    Die Familie beherbergte ihn noch vier weitere Nächte. Sie gaben ihm Essen, zeigten Briefe aus New York und ganz stolz die zugeschickten Fotos von Frank als Kind, von seinem Bruder Jack und der kleinen Schwester Patricia. Er wollte ihnen Geld geben, aber sie ließen es nicht zu. So arm sie auch waren, war der Stolz ihr einziger Luxus.
    Der alte Herr Bartolini war es dann, der ihm durch Gesten verständlich machte, dass er auf dem Berg zu einem Schäfer namens Mani gehen solle, der Roddy ins nächste Tal führen werde. »Mani werde dich finden.«
    Sie schickten ihn los mit einer Decke, Käse, Schinken, Trockenfrüchten und einem Fläschchen Öl, das stark nach Zitronen duftete.
    »Zanzara«
, krächzte die Alte und bedeutete ihm, es sich auf Gesicht und Nacken zu schmieren. Es war ein stark riechendes Mittel gegen Insekten.
»Grazie, molto grazie, io non dimenticato«
, war alles, was er als Dank erwidern konnte. Was konnte er sonst tun, um seine Dankbarkeit zu zeigen, dass sie ihm gegenüber so freundlich und gütig gewesen waren und ihm seine Freiheit wiedergegeben hatten?
    Sie schenkten ihm eine alte Hose und ein Hemd zum Anziehen, aber als Einheimischer würde er dennoch nicht durchgehen. Er musste den Kontakt mit allen anderen meiden und so gut er konnte in der freien Natur leben. Er besaß keine Papiere, nur seine Erkennungsmarke um den Hals. Es war ein verrückter Plan, ein Katz-und-Maus-Spiel, aber er war bereit, das Risiko einzugehen.
    Er folgte einem Pfad meilenweit bergauf und lauschte aufmerksam nach verdächtigen

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