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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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hatte ihn verärgert, daher musste sie bestraft werden. Er hatte Roddy bis zum letzten Augenblick zurückgehalten, bevor sie zum Festessen aufbrachen. Sie war so zugerichtet, dass sie ihn nicht hochheben konnte, und er hatte geweint, als er sie sah, hatte sich zunächst hinter Susan versteckt, bis Celeste ein kleines Päckchen Spielzeug hervorgeholt hatte. Ihr brach das Herz, dass sie nicht bleiben konnte. Sie hatte es sich selbst zuzuschreiben, denn sie war nicht, wie gefordert, sofort zurückgekehrt.
    Jetzt schaute sie in die neugierigen Gesichter von Harriets Gästen und wechselte rasch das Thema.
    »Genug von mir, was ist denn während meiner Abwesenheit hier passiert?« Celeste wurde sogleich mit Klatsch aus dem Ort überschüttet, doch als die Frauen sich ins Wohnzimmer zurückzogen, während die Männer ihren Portwein tranken, nahmen sie das Thema wieder auf. »Haben Sie Madeleine Astor gesehen? Es heißt, sie sei in anderen Umständen …«
    »Ich habe sie an Bord der
Carpathia
gesehen, sie sah miserabel aus, und ja, sie ist schwanger.«
    »Erst achtzehn, keine fünf Minuten mit einem Mann verheiratet, der doppelt so alt ist … und er war noch verheiratet, als sie sich kennenlernten … Trotzdem, es kommt, wie es kommt, und wir dürfen nichts Schlechtes über die Toten sagen.«
    »Haben Sie viele Leichen gesehen? Wie schrecklich für Sie, auf ein Boot mit all dem Gesindel aus der dritten Klasse geschoben zu werden! Wie erleichtert müssen Sie sein, es geschafft zu haben und wieder unter Ihresgleichen zu sein.«
    Halten Sie doch den Mund, hätte sie diesen albernen Frauen am liebsten zugerufen, eingezwängt in ihre Abendkleider, mit wabbelndem Doppelkinn und den Brüsten, die aus ihren knappen Miedern quollen. Ihr habt doch keine Ahnung, wie die Welt außerhalb der paar Meilen im näheren Umkreis lebt. Früher war mir wichtig, von euch anerkannt zu werden, aber das ist jetzt vorbei. Das alles spielt jetzt keine Rolle, seufzte sie bei sich. Ich werde nie hierhergehören. Ich bin zu englisch, zu anders, zu jung, um hier zu sitzen und mit aufgeblasenen Frauen zu tratschen, denen es nur um Standesdünkel geht, die nichts von dem Entsetzen begriffen haben, das ich durchgemacht habe. Warum sollten sie auch? Für sie ist alles wie ein Kintopp-Drama auf der Leinwand. Ich will hier nicht sein, schrie ihr Herz. Ich will Roddy nehmen und weglaufen.
    Noch nie hatte sie sich so einsam gefühlt, so eingesperrt und enttäuscht. Sie hatte beobachtet, dass Grover den ganzen Abend lang stetig getrunken hatte. Seine Augen funkelten wütend, da sich die allgemeine Aufmerksamkeit immer wieder auf die Geschichte seiner Frau richtete.
    Wie war es zu einer solchen Entfremdung gekommen? Seine liebevolle Aufmerksamkeit hatte sich schnell in Unzufriedenheit verwandelt, selbst auf ihrer Hochzeitsreise in Paris. Kaum waren sie verheiratet, war Grover anscheinend ein anderer Mensch geworden, der sie bekrittelte, wo er nur konnte: wie sie sich kleidete, ihre Frisur, ihr Akzent, ihre Abstammung. Er sprach davon, eine brauchbare Frau aus ihr zu formen, als wäre sie ein Stück Ton.
    Zunächst war sie zu schockiert gewesen, zu ängstlich, um sich zu widersetzen oder zu protestieren. Inzwischen wusste sie, dass sie das schreckliche Geheimnis wortlos erdulden musste. Sein Überfall vorhin war nur ein Vorgeschmack darauf, was ihr bevorstand, wenn sie einmal nicht gehorchte.
    In den frühen Morgenstunden würde sie wach daliegen und auf sein Schnarchen hören, verzweifelt und hilflos, denn sie konnte sich nicht bewegen, sonst würde er wieder wach werden, und sie müsste sich allem erneut unterwerfen.
    Jetzt trank sie Kaffee, gab vor, sich gut zu amüsieren, und versuchte, nicht vor Schmerz zu zucken. Dabei wurde ihr klar, dass sie so nicht weiterleben konnte. An diesem Abend hatte in ihrem Kopf ein Plan Gestalt angenommen. Während sie den Unterhaltungen lauschte, dem falschen Geschwätz, wusste sie, dass es vielleicht eine Möglichkeit gab, das Heft in die Hand zu nehmen. Wenn sie das Haus auf Portage Hill erreichten, würde sie Grover etwas von dem guten Whiskey anbieten, den sie ihm aus New York mitgebracht hatte, und ihn Platz nehmen lassen. Sie würde sich davonschleichen, sich Zeit nehmen beim Ausziehen, denn sie wusste, dass er müde, betrunken und kurz vor dem Einschlafen war. Sie würde in Roddys Kinderzimmer schlüpfen und aufpassen, dass sie Susan im Zimmer nebenan nicht störte. Sie würde die Tür abschließen und ein paar Decken

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