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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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das Meer. Sie mussten aufgehoben werden. Sie durfte sich nicht anmaßen, sie zu zerstören, aber Ella durfte nichts von den Geheimnissen erfahren, die darin steckten. May wusste nur, dass man Liebe nicht wegwarf, so schmerzhaft die Erinnerungen auch sein mochten.

31
    Die Kandelaber glitzerten, die Diamanten an Armbändern und Ohrringen funkelten. Das Festessen war einigermaßen glimpflich verlaufen, obwohl Celeste keinen Bissen herunterbekommen hatte. Wie sollte sie auch, bei den Prellungen auf den Rippen, die sich an ihrem engen Korsett scheuerten? Sich zu beugen oder zu drehen, war eine Qual, aber sie musste lächeln und der perfekte Gast sein. Die üblichen, spießigen Industriemagnaten, die in den letzten Jahren in der Stadt emporgekommen waren, hatten ihre formelle Sitzordnung eingenommen. Ihr gegenüber saß ein Geschäftsführer der Reifenfirma B. F. Goodrich. Alle wollten ihre dramatische Geschichte hören.
    »Ist das mit Walter Douglas nicht furchtbar?« Die Zeitungen in Akron waren voll mit Artikeln über den Verlust des Gründers der
Quaker Oats
-Lebensmittelfabriken gewesen. »Die arme Mahala hatte nichts mehr, außer ihrem Pelzmantel, den sie am Leib trug. Und John Jacob Astor, Guggenheim, und das arme Ehepaar Strauss, alle tot … Sie müssen einigen von ihnen in der ersten Klasse begegnet sein, Celeste.«
    Sie schwieg eine Weile, bevor sie antwortete, und sah, dass Grover ihr einen bedeutsamen Blick zuwarf. Sie nickte lächelnd. »Diese Herren waren alle so tapfer«, sagte sie. »Wegen ihres Mutes werden sie nicht in Vergessenheit geraten. Ich habe ein paar ihrer Frauen im Hilfskomitee kennengelernt.«
    »Die Männer aus dem Zwischendeck müssen sich wie Wüstlinge aufgeführt haben«, sagte Grovers Mutter, Harriet, während sie sich ein weiteres Stück Kirschkuchen in den Mund schob.
    »Das habe ich nicht gesehen«, fuhr Celeste sie an. »Viele Herren aller Klassen haben ihren Kindern nachgewinkt und ihre Frauen geküsst, wohl wissend, dass sie diese nie wiedersehen würden. Die meisten Passagiere des Zwischendecks durften erst kurz vor dem Ende an Deck kommen, als keine Rettungsboote mehr vorhanden waren. Auch Frauen und Kinder. Die armen Seelen wurden dem Tod anheimgegeben, im Stich gelassen. Dreiundfünfzig Kinder sind in der Nacht im Zwischendeck ums Leben gekommen. Dreiundfünfzig. Nur ein Mädchen in der ersten Klasse, und auch nur, weil es sich geweigert hat, seine Eltern zu verlassen.« Sie wusste jetzt, dass sie die volle Aufmerksamkeit der Gesellschaft hatte und ihnen noch mehr erschütternde Einzelheiten hätte erzählen können, doch war dies nicht der richtige Zeitpunkt. Sie wollten Geschichten über Heldentaten, nichts, was ihnen den Schlaf rauben könnte. »Aber wir haben zehntausend Dollar gesammelt, allein für Soforthilfe«, fügte sie stolz hinzu.
    Im Übrigen hatte Grover ihr zuvor aufgetragen, sie dürfe während des Essens nicht weiter über ihre Erlebnisse berichten. Er hatte sich von ihrer Erzählung nicht beeindrucken lassen.
    »
Titanic
!«, hatte er wütend gesagt. »Ich kann den Namen des verdammten Schiffes nicht mehr hören. Der
Tribune
bringt nur noch Nachrichten darüber. Alle Welt kennt die Verlustzahlen inzwischen, also hau heute Abend beim Essen damit nicht so auf den Putz.«
    »Aber es war grauenvoll, Grover«, hatte sie protestiert. »Ich werde nie vergessen, was ich gesehen habe. Ich hatte solches Glück, dass ich überlebt habe.«
    »Was war das für eine Sache, die mir Bryden erzählte, mit der Witwe aus dem Zwischendeck, der du geholfen hast? Da war doch eine ganze Armee von Wohltätern, die das hätten übernehmen können.«
    »May und ich haben zusammen im Rettungsboot gesessen. Sie hat ihren Mann verloren und alles, was sie besaßen. Hätte ich da nicht meine Pflicht tun sollen?«, fragte Celeste, darum bemüht, nicht laut zu werden. Kurz zuvor hatte sie gehört, wie Susan mit Roddy zurückgekommen war. Sie sehnte sich danach, ihn zu sehen, doch sie musste warten, bis Grover sie entließ. Ihn zu reizen hätte womöglich bedeutet, dass er Roddy noch länger von ihr fernhielt. »Im Übrigen wollte ich Mrs Brown mit den Geldern für die Überlebenden helfen.«
    »Ganz die Tochter des Pfaffen«, schnaubte er. »Gott sei Dank habe ich die Geistesgegenwart besessen, meinen Sohn nicht mitfahren zu lassen. Wenn ihm etwas zugestoßen wäre …« Sie vernahm den drohenden Unterton in seiner Stimme.
    Die Schläge, die dann folgten, waren keine Überraschung. Sie

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