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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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eine Abendveranstaltung mit musikalischer Unterhaltung.
    Sie war so beschäftigt gewesen, dass sie kaum Zeit gehabt hatte, darüber nachzugrübeln, wie schlecht es mit Grover lief. Dann waren Briefe von ihrem Vater eingetroffen, in denen er berichtete, wie gut »die kleine May«, wie er sie nannte, sich im Kathedralenhof einlebte.
    Wie hart sie arbeiten kann, nichts ist ihr zu mühsam. Sie hat sogar meine häuslichen Pflichten übernommen und mein unordentliches Nest in eine auf Hochglanz polierte Oase der Ordnung verwandelt, sodass ich jetzt nichts mehr wiederfinde, aber sie meint es gut. Ihr Kind ist die Freude der Damen im Kathedralenhof, die nichts davon wissen, was die beiden hierher geführt hat. Das hält die Zeitungen davon ab, sie zu belästigen, und das respektiere ich. Sie ist wie eine kleine Maus, die über das Pflaster huscht, nur Haut und Knochen, aber sie scheint einigermaßen glücklich zu sein. Das hast du gut gemacht, sie hierher zu schicken. Ich vermute, sie könnte sich als verkappter Engel erweisen …
    Mays erster Brief war etwas wortkarger, in der vorsichtigen, sauberen Handschrift eines Kindes gehalten.
    Liebe Mrs Parkes,
    ich hoffe, dieser Brief trifft Sie so an, wie es mir geht, so gut, wie man es erwarten kann. Ihr Vater war ein wahrer Christ für uns. Ich komme mit meiner Stellung im Theologischen Kolleg gut zurecht. Ich habe Zimmer in der Dam Street ganz in der Nähe gefunden, bei einer Mrs Allsop, die mir erzählte, sie habe Ihrer Mutter immer mit der Wäsche geholfen. Sie kümmert sich um Ella, während ich bei der Arbeit bin. Es ist nicht ideal, aber ich muss arbeiten, und die Kleine kann nicht mitkommen.
    Alles hier in der Gegend ist flach, weshalb es leichtfällt, mit Ella nach draußen zu gehen. Meine Vermieterin hat einen Kinderwagen aufgetrieben, in den ich Ella setzen kann.
    Ihr Vater ist guter Stimmung. Ich habe seine Wohnung zu seiner Zufriedenheit aufgeräumt, hoffe ich. Wer Bücher liest, breitet sich ein bisschen aus, nicht wahr? Ihr Bruder Selwyn ist vorbeigekommen, um mich zu überprüfen, und hat sich nach Ihnen erkundigt.
    Hochachtungsvoll,
    Mary Smith (May)
    P.S. Ich habe ganz vergessen, mich bei Ihnen für Ellas Geburtstagsgeschenk zu bedanken. Das wäre nicht nötig gewesen. Das Kleid ist sehr hübsch. Im Gegenzug schicke ich Ihnen dieses Foto. Tut mir leid, dass ich vom Blitzlicht so verblüfft aussehe.
    Celeste seufzte, als sie an den Brief dachte. Wie sehr wünschte sie sich, zur Kirschblüte wieder in Lichfield zu sein, mit Roddy um den Minster Pool zu schlendern, auf dem Marktplatz Tee zu trinken. Sie beneidete May, aber wenigstens konnte sie durch ihre Briefe indirekt alles miterleben und sich vorstellen, sie wäre dort.
    Der versilberte Henkelpokal wurde Kapitän Rostron in Anerkennung seiner heldenhaften Leistung zur Rettung der Überlebenden überreicht. Außerdem gab es eingerahmte Beschlüsse der weiblichen Überlebenden, die sie bei jener ersten Sitzung im Salon am Abend des 17 . April gefasst hatten. Sie sprachen der gesamten Besatzung ihren tiefempfundenen Dank aus.
    »Sie sind mit Volldampf voraus in eine gefährliche See gefahren, sobald Sie von der Katastrophe gehört hatten. Wäre Ihr Heldenmut nicht gewesen, hätte niemand von uns überlebt.«
    Celeste sah dem Kapitän an, dass er von dem Lob beinahe überwältigt war.
    »Danke«, murmelte er und senkte den Kopf. Dann holte er tief Luft. »Ich weiß nicht, wie ich meinen Dank für diese Anerkennung ausdrücken soll … für die Ehre, die Sie mir zuteilwerden lassen … für diesen prächtigen Pokal zum Zeichen der Verbundenheit. Zunächst habe ich versucht, meine Pflicht als Seemann zu tun, und dann als Mann gegenüber meinen Kameraden. Nicht ich verdiene diese Auszeichnung, sondern meine Besatzung. Ich möchte ihre Treue, ihren Mut und ihr Vertrauen hervorheben. Mein Dank, der meiner Frau und meiner Familie gebührt Ihnen. Von diesem Augenblick werden meine Nachfahren noch über viele Generationen hinweg mit Stolz sprechen.«
    Dann wandte sich der Vorsitzende des Komitees der Überlebenden, Mr Seward, an die Besatzung. »Als wir die
Carpathia
aus dem Morgengrauen auf uns zukommen sahen, waren wir von Herzen dankbar. Als Andenken daran würden wir gern jedem von Ihnen einen Orden überreichen.«
    Alle applaudierten, und Celeste spürte einen Kloß im Hals, als sie die junge Stewardess vortreten sah, die ihnen so großzügig geholfen hatte. Dann gedachte sie all derer auf dem Grund des Meeres,

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