Schiff der tausend Träume
die von diesem Leben nie mehr etwas bekommen würden.
Harriet war zufriedengestellt, als sie am Sonntag das Gedenkkonzert im Moulin Rouge Theatre am Broadway besuchten. Was für ein künstlerisches Aufgebot: Orchester der United States Army aus den Forts in der Nähe von New York, Marinebands vom Brooklyn Navy Yard, Kinderorchester und einige der besten Musiker der Stadt. Es war ein großes Schauspiel, und die Herzen gingen über.
»Sie werden uns doch jetzt nicht hängenlassen, Celeste?« Margaret Brown erblickte sie in der Menge und kam in der Pause zu ihnen. »Ihre Schwiegertochter war eine so treue Förderin unserer Sache, Mrs Parkes.«
Harriet errötete. »Natürlich nicht. Sie wird sich nützlich machen, wo sie nur kann. Sie hat schon Hunderte Dollar in der Firma ihres Mannes gesammelt, der Diamond Rubber Company.«
»Tatsächlich? Das freut mich zu hören, denn wir haben eine große Aufgabe vor uns, wenn wir die entschädigen wollen, die alles verloren haben. Dann werden wir Sie bei der nächsten Sitzung sehen, Celeste? Wir haben uns eine besondere Gedenkstatue überlegt.«
Celeste nickte, als Margaret ihr zuzwinkerte.
»Ist das die unsinkbare Molly Brown?« Harriet gaffte ihr nach.
»Schh, nenn sie nicht so! Niemand, der sie kennt, sagt Molly zu ihr. Sie verabscheut es. Sie ist ein Energiebündel und lässt uns nie im Stich. Wenn jemand eine Statue errichten kann, dann sie, und ich wette, es wird ein Knüller!«
»Sei nicht vulgär, mein Kind, das passt nicht zu dir«, sagte Harriet und beäugte die imposante Frau in ihrem Florentinerhut und dem ausgefallenen Seidenkleid. »Sie hat etwas von einem ungeschliffenen Diamanten, ist aber reich wie Krösus. Sie ist sicher nicht dein Typ, oder? Diese auffällige, protzige Art.«
»Das Herz dieser Frau ist größer als das Schiff, das versucht hat, sie zu versenken, und auf ein freundliches Herz kommt es doch an, meinst du nicht? Ich werde tun, was ich kann, um ihr zu helfen.« Celeste war fest entschlossen, das letzte Wort zu haben, und ließ ihre Schwiegermutter sprachlos stehen.
35
Liebe May,
wie schön, von Ihnen zu hören. Das nächste Mal hätte ich gern noch einen längeren Brief, bitte. Wie sieht es in Lichfield aus? Waren Sie Pfingsten bei der Parade? Mir haben die Prozessionen und die Sportveranstaltungen immer sehr gefallen, am meisten aber der Jahrmarkt. Alle tragen Sommerrüschen und Florentinerhüte. Die Atmosphäre ist immer so fröhlich, und natürlich sind die Straßen voller Besucher. So etwas gibt es bei uns in Akron nicht, nur hin und wieder einen Zirkus und den Kirchenbasar.
Wir haben Kapitän Rostron den Pokal und die Orden überreicht. Harriet, meine Schwiegermutter, bestand darauf, als meine Anstandsdame mitzukommen. Sie war von den vielen Hüten und dem kostbaren Schmuck sehr beeindruckt. Jetzt planen wir ein Nationaldenkmal. Wenn ich verspreche, dass ich sie auf diesen Reisen mitnehme, damit sie einkaufen gehen kann, wird Grover wohl nichts dagegen haben, dass wir einmal im Monat verschwinden.
Er ist gern der Beschützer, was zuweilen lästig ist, aber ich bin entschlossen, mich an der Spendenkampagne zu beteiligen, und werde alles dafür tun.
Waren Sie schon im Red House? Da bin ich aufgewachsen. Der Garten ist herrlich zu dieser Jahreszeit mit all den Herbstblumen. Meine Brüder werden zu ihrem Wanderurlaub in Schottland sein, vermute ich. Kann Ella jetzt laufen? Roddy hat einen Roller, und wir werden ihn bald mit an die Großen Seen nehmen. Er wächst so schnell, dass er bald lange Hosen trägt und die Haare geschnitten bekommt. Ich fürchte mich davor, dass er kein kleines Kind mehr sein wird.
Schreiben Sie bald,
Ihre wahre Freundin jenseits des Meeres,
Celeste
May drückte ihren Brief an sich, während sie an diesem kühlen Novembermorgen in den Kathedralenhof lief. Es war Montag, der Tag, der für Kanonikus Forester »reserviert« war, und die Kathedrale ragte unter einem düsteren Himmel vor ihr auf, der Schnee verhieß. Sie war froh, dass sie Ella in Überhose und dickem Mantel warm eingepackt hatte.
Sie ließ ihr Kind nicht gern in Mrs Allsops Obhut, aber ihre Vermieterin war recht freundlich und würde Ella im Kinderwagen auf die Market Street hinausfahren, wenn sie einkaufen ging. Die Montage waren immer schwierig, aber sie konnte den Kanonikus vor ihrer Arbeit am Kolleg einschieben. Sie bestand darauf, dass Mrs Allsop Ella im Kathedralenhof herumführte, damit May ihr vom Kollegfenster zuwinken oder sich
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