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Schiff der tausend Träume

Schiff der tausend Träume

Titel: Schiff der tausend Träume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leah Fleming
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dort nicht weit nach Lichfield. Hielt sie sich vielleicht eine Hintertür offen für Zeiten …? Sie musste zugeben, dass sie sich zu seinen hellen Augen und der tiefen Stimme hingezogen fühlte. Wenn sie doch nur frei wäre. Die vielen Lügen, die sie im Lauf der Jahre um Roddy und sich selbst herum aufgebaut hatte, nur um sie beide zu schützen, waren eine harte Schale, und sie durfte nicht riskieren, dass sie zerbrach.
    Am besten sagte sie nichts, gab sich zurückhaltend und desinteressiert, anstatt falsche Hoffnungen zu wecken. Sie hätte ihm gern erzählt, warum sie so nervös war, dass jeder Ruck in der Maschine des Schiffes sie sofort in die Nacht auf der
Titanic
zurückversetzte. Dann war da die Sache, dass sie Roddy zwang, seine Schwimmweste zu tragen und ihm zeigte, wo jedes einzelne Rettungsboot war und welchen Weg er im Notfall an Deck nehmen sollte. Was dachte er sich bei ihrem ganzen Getue?
    Bisher war ihre Reise sehr glatt verlaufen, ohne besondere Vorkommnisse. Im Gegenteil, sie fühlte sich an Bord erstaunlich wohl und gut unterhalten, jetzt, da sie Archie McAdam kennengelernt hatte. Etwas an seiner nüchternen Ehrlichkeit und seinem Humor zog sie zu ihm hin. Wie gut, dass sie morgen in Liverpool anlegten.
    Wieder war es eine Schiffsreise, die ihr Leben in vielerlei Hinsicht veränderte, dachte sie. Ihre so sorgfältig aufgebaute Seelenruhe war gestört. Auf einmal dachte sie an den Abend zurück, an dem sie Grover in London kennengelernt hatte: die romantischen Abendessen bei Kerzenschein, die Ansteckbuketts, ihr Seidenkleid, die Düfte des Speiseraums, ihre Eile, zu heiraten und ein eigenes Leben zu beginnen. Damals war sie keine gute Menschenkennerin gewesen, dachte Celeste, und diese Erkenntnis hatte sie misstrauisch gemacht. Dieser Mann war charmant, aber er könnte ein Scharlatan sein, ein Seemann mit einer Frau in jedem Hafen. Insgeheim meinte sie zu spüren, dass er aus anderem Holz geschnitzt war. Er zeigte echtes Interesse an ihnen. Sie konnte ihm ansehen, wie Roddys Begeisterung ihn freute. Sie erkannte seine Rücksichtnahme, wenn sie sich weigerte, ihre Distanz aufzugeben und ihm gegenüber offener zu sein. Es musste ihn verletzen, wenn er sie beim Tanz nicht dazu bringen konnte, sich zu entspannen, ihre Unbeholfenheit und Steifheit mussten ihm unfreundlich und abweisend vorkommen. Bestimmt verwirrte es ihn, ihr Unbehagen zu spüren. Ob er wohl dachte, sie sei nicht an ihm interessiert, vielleicht weil er älter aussah, als er tatsächlich war, und hinkte? Was hielt sie wirklich zurück?
    Es war so vieles: die Angst, es falsch zu verstehen, Angst, sich auf etwas einzulassen, obwohl sie nicht frei war, Angst vor einer Schiffsromanze. Wie sollte sie nach den Erfahrungen, die sie gemacht hatte, je wieder einem anderen Mann vertrauen?
    Dabei hatte sie ihm etwas anvertraut. Sie waren an Deck spazieren gegangen, nachdem Roddy zu Bett gebracht worden war, und sie hatte ein wenig über ihre Rückkehr nach Hause gesprochen, darüber, dass sie jetzt mittellos war, und sie hatte gestanden, wie nervös sie sich fühlte, nach so vielen Jahren im Ausland zurückzukehren. Sie deutete an, dass ihr Vater sie brauche und ihr Bruder krank sei.
    »Dieser Krieg hat so viele Leben zerstört«, pflichtete Archie ihr bei und schaute auf das Meer hinaus. »Niemand kann deshalb wieder so sein wie vorher. Gott sei Dank wird der kleine Roddy nie solchen Schrecken ins Auge sehen müssen, Mrs Wood …«
    Die Traurigkeit in seinen Worten berührte sie tief, und etwas in ihr gab nach. »Bitte, nennen Sie mich … ich heiße …« Sie waren jetzt fast in England. Zeit, die Maske abzulegen. »Mein Name ist Celeste«, sagte sie. »Celestine Forester.«
    Er wandte sich ihr zu und lächelte, streckte seine Hand aus und schüttelte ihr formell die Hand. »Haben Sie Dank, Celeste. Was für ein schöner Name für eine wunderschöne junge Frau. Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn ich manchmal schriebe – an Sie beide?«
    Sie zog ihre Hand zurück aus Angst vor den Gefühlen, die selbst bei dieser schlichten Berührung zwischen ihnen aufbrachen. »Wenn Sie meinen, dass es hilft.« Sie hielt inne, wohl wissend, dass sie noch etwas aufdecken sollte, um ihr Vertrauen zu zeigen, doch die Worte blieben ihr im Hals stecken. Dann sagte er etwas Außergewöhnliches, während er ihren Blick festhielt.
    »Ich hoffe, dass Sie mir zu gegebener Zeit erzählen, was oder wer Ihnen in der Vergangenheit so viel Angst eingeflößt hat.

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