Schiffe versenken
hatte. »Dann war er nicht sehr erfolgreich, stimmt’s? Elf Tote, oder? Du glaubst doch nicht etwa, dass er jetzt kommt, um dich zu befreien?«
»Doch.« Sie zog die Knie an und schlang die Arme darum, wobei sie sorgfältig auf die schmerzende Hand achtete.
Janac kaute noch am letzten Bissen, als er den leeren Teller neben ihr abstellte, sich zurücklehnte und die Hände hinter dem Nacken verschränkte. »Ein halbnackter Mann hat gestern Nacht in einem der Dörfer etwas weiter oben am Upang River ein Boot gestohlen. Wer immer es war, er hat den Besitzer umgebracht – hat dem armen Teufel einfach den Riemen über den Kopf gezogen, und der ist ertrunken.«
Einem Wetterleuchten vergleichbar zogen Annas Gedanken schnell über ihr Gesicht. War das Phil gewesen? Er lebte! Gott sei Dank! Aber hatte er wirklich jemanden umgebracht?
»Ein scheinbar unendlicher Strom von Blut und Verderben zieht hinter Phil Hamnet seine Spur. Wie viele haben bis jetzt ins Gras gebissen? Elf an Bord, zwölf, wenn man meinen Mann dazuzählt, einer letzte Nacht – und vier früher schon, stimmt’s?«
Anna schaute mit leerem Blick in die andere Richtung. Nichts würde je wieder so sein wie früher. Was auch immer jetzt noch geschah, beiden oder einem von ihnen, es würde alles beeinflussen. Die letzte Zeit war schlimm gewesen. Das hier war schlimmer.
Janac zog ein Päckchen Lucky Strike aus seiner oberen Hemdtasche und ein Zippo-Feuerzeug aus der Schachtel, zündete sich eine Zigarette an und stieß den Rauch geräuschvoll wieder aus. Anna schaute zu ihm, und er bot ihr eine an. Sie ließ den Rauch teilnahmslos an sich vorbeiziehen und schüttelte den Kopf.
»Erzähl mir«, begann er nach einem tiefen Zug, »wo ihr geheiratet habt.«
»Wann?«
»Du hast Glück, und ich habe heute Morgen etwas mehr Zeit – aber nicht endlos viel Zeit. Du wirst mir alles erzählen, was ich wissen will.« Er setzte sich nun aufrecht auf die Bank, und seine grauen Augen sahen gelangweilt durch sie hindurch. Anna fühlte den Schweiß, der sich in ihren Handflächen sammelte, und schlang wieder die Arme um die Knie, um ihre Babies. »Fang mit dem Kennenlernen an«, forderte er sie auf.
Sie atmete tief ein und aus. »Das war vor acht Jahren. Ich segelte einhand um die Welt auf einer 60-Fuß-Yacht.« Sie bemerkte, dass er die Augenbrauen hochzog, und ein verstohlenes Lächeln spielte um ihren Mund, ehe sie mit eintöniger Stimme weiterredete.
Sie hatte im südlichen Ozean irgendetwas gerammt – einen Container oder einen Wal vielleicht. Das hatte sie das Ruder gekostet, und die Selbststeueranlage war nicht mehr zu gebrauchen. Dann fiel ein Sturm über sie her, sodass sie fast fünf Tage ununterbrochen im Einsatz bleiben musste; das Boot kenterte zweimal durch, verlor seinen Mast und war kurz vorm Sinken, als Hilfe in Form eines Containerschiffs eintraf.
Der Kapitän legte sein Schiff quer zu den Wellen, so dass Annas Boot in Lee vor sich hindümpelte. Dann kletterte Phil Hamnet über die Jakobsleiter nach unten, schwamm hinüber und fand sie unter Deck. Sie war so erschöpft, dass sie sich an der Koje festgelascht hatte, um zu verhindern, dass ihr Kopf unter Wasser geriet, das im Boot mittlerweile ständig stieg, während sie fast schon ohnmächtig war. Hamnet sicherte sie beide mit einem Stropp, und die Crew hievte sie bei einem Wellengang von zehn Metern und einer Wassertemperatur unter null auf das Containerschiff in Sicherheit. Als sie zwei Tage später aufwachte, fiel ihr Blick auf ihren Retter, der sie wie durch ein Wunder aus der tobenden Hölle in ein Paradies mit weißen Leintüchern und regelmäßigen Mahlzeiten versetzt hatte. Seither waren sie zusammengeblieben.
Als Anna verstummte, erhob sich Janac abrupt, trat seinen Zigarettenstummel aus, ging wieder zum Feuer hinüber und schaute in einen der anderen Töpfe. Er füllte Kaffee in seinen Becher und hielt einen weiteren fragend in Annas Richtung. Sie schüttelte den Kopf. Wieder fand er ihre schwarzen Haare ausnehmend attraktiv, ebenso wie die traurigen braunen Augen. Sein Kinn spannte sich leicht, ja, sie war eine bildhübsche, lebhafte, junge Frau.
«Das war alles, bevor er selbst sein Schiff verlor?«, fragte Janac. »Wo warst du, als es unterging?« Er kam zu ihr zurück.
Anna beobachtete ihn genau. »Ich war auf einer Regatta. In Hawaii.« Sie war gegen Mitternacht mit einem Flugzeug aus den Staaten eingetroffen und hatte zu Hause auf dem Anrufbeantworter eine Nachricht vorgefunden,
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