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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Chisnell
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dass sein Schiff sich nicht meldete. Das war die zweitlängste Nacht ihres Lebens geworden, da der Idiot, der angerufen hatte, keine Nummer hinterlassen hatte.
    »Und wann wurde er gefunden?«, setzte Janac das Verhör fort, während er sich auf der Bank zurücklehnte und die Kaffeetasse daneben auf den Fußboden stellte.
    »Ich war schon wieder zu Hause.«
    »Und was war geschehen?«
    Einen Moment lang schloss Anna die Augen. »Das Schiff war in einem der späten Hurrikane des Jahres gesunken. Es war Phils zweites Schiff – ein alter Getreidefrachter mit acht Mann Besatzung. Auf dem vorderen Laderaum fehlte die Abdeckung. Die Männer schafften es ins Rettungsboot und trieben zwei Tage auf See, ehe der Sturm nachließ. Fast alle Essensund Wasservorräte waren über Bord gegangen oder verdorben.«
    »Habt ihr über die Einzelheiten gesprochen, als er wieder zu Hause war?«
    »Nein«, Anna schüttelte den Kopf.
    »Und das soll ich glauben?« Die Kaffeetasse stand immer noch unberührt auf dem Boden.
    »Na, so im Groben – nachdem die Geschichte in der Presse breitgetreten worden war.«
    »Ah, ja, die Presse. Ich habe mir ein paar von den alten Berichten angesehen – und du sagst nichts, was ich da nicht schon gelesen hätte. Tatsächlich hat die Untersuchung ans Licht gezerrt, dass einer von der Crew den Weg ins Rettungsboot nicht gefunden hat. Bleiben sieben Männer, die – nachdem der Sturm abgezogen war und die Passatwinde sie abgetrieben hatten – nach sieben Tagen fern von jeder Schifffahrtsroute trieben. Vermutlich waren ein paar da schon in sehr schlechter Verfassung – dehydriert und seekrank. Das Boot war bestimmt voller Kotze und Pisse und Scheiße. Und mit ziemlicher Sicherheit hatten sie nach sieben Tagen nicht mehr genug Trinkwasser für alle, nicht einmal annähernd. Aber zwei oder drei hatten durchaus eine Chance auf Rettung. Eine Frage der Moral: Falls einige starben, konnten andere überleben. So weit, so gut. Aber ich will wissen: Was tat Hamnet in dieser Situation?« Janac wartete einen Moment lang unbewegt und mit gespielter Nachsicht. »Bitte.« Selten hatte sie dieses Wort weniger betont gehört. »Mach dir nicht selbst das Leben schwer.«
    Anna versuchte, den vernichtenden Blick zu ignorieren, und legte unbewusst schützend die Hand auf ihren Bauch. Sie hatte während der letzten zwei Tage viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken, hinter welchen Informationen Janac wohl her war. Phils Schweigen war der Preis für ihr Leben, aber was war der Preis für das Schweigen? Schiffe? Ladungen? Noch ein paar Leben? Besser als jeder andere wusste sie, wie Phil in solchen Situationen tickte und seine Entscheidungen traf. Aber wenn sie Janac einweihte, welche Folgen konnte das für ihre Rettung haben? Besser war, so wenig wie möglich zu sagen – besser jedenfalls, als zu viel rauszulassen. Aber gar nichts zu sagen war unmöglich.
    »Phil erzählte mir«, sie zögerte, »Phil erzählte mir, dass alle diskutiert haben und dass sie sich dann dafür aussprachen, das Los entscheiden zu lassen. Vier mussten aus dem Boot, die anderen sollten sich das Trinkwasser teilen. Natürlich war Phil als Skipper verantwortlich, aber er hat immer wieder erzählt, dass alle darüber diskutiert haben.« Sie schaute sich um. »Das war alles. Nie hätte er mich in die Einzelheiten eingeweiht. Nach acht Tagen wurden sie gerettet. Drei haben überlebt, und Phil war einer davon. Aber das wissen Sie schon alles.«
    Janac griff nach der Kaffeetasse und nahm einen Schluck. »Allerdings. Und dann griff die Presse die Geschichte auf.« Er sah ihr direkt ins Gesicht, aber seine Stimme wurde etwas sanfter, und der Ton ähnelte nicht mehr so sehr einem Verhör. Er würde die Informationen wohl nicht aus ihr herausprügeln müssen. »Alle gingen davon aus, dass es einen Kampf gegeben hat und ein Mann mit einer Signalpistole erschossen worden ist. Es ist unwahrscheinlich, dass einer, gegen den das Los entschieden hat, einfach so stirbt. Er hat nichts mehr zu verlieren, wenn er versucht, sich das Trinkwasser zu schnappen.«
    Anna hielt seinem Blick Stand, der nun weniger drohend als hypnotisierend wirkte. Wieder schlug sie nach der Fliege, aber diesmal war es nur ein unbewusster Reflex. »Er hat darüber nie ein einziges Wort verloren. Er hat immer nur gesagt, dass alle mit der Entscheidung einverstanden waren.«
    »Das glaube ich nicht. Die Presse hielt deinen Mann für einen Mörder, und ich auch.«
    »Nein«, schrie sie ihn an. »Es

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