Schiffe versenken
um ihn dann wieder vor Janac in den Dreck fallen zu lassen. Der saß am selben Tisch wie beim ersten Mal und widmete sich seinem Frühstück aus Mangos und Ananas. General Lee saß ihm ebenfalls wieder gegenüber – vor einem leeren Teller. Rechts von Janac hatte Tosh – den Hamnet nicht kannte – Platz genommen und schnitzte an einem Stück Holz herum, während vor ihm in einer Tasse heißer Kaffee dampfte. Hamnets drei Aufpasser bauten sich vor dem Tisch auf, und während einer Janac Bericht erstattete über die Essensverweigerung und darüber, dass ihr Gefangener nicht einmal auf Schüsse reagiert hatte, nahm Hamnet ohne jedes Interesse die fremden Laute wahr, ohne sie zu verstehen, ja ohne überhaupt zuzuhören.
Doch dann drangen plötzlich Janacs Worte bis zu ihm vor. »Deine Kinder sind nicht mit ihrer Mutter gestorben.«
Das war ein Schock. Als er aufzustehen versuchte, rächte es sich, dass er nichts gegessen und getrunken hatte, und er wurde ohnmächtig. Als er wieder zu sich kam, hielt ihm irgendjemand eine Wasserflasche an die ausgedörrten Lippen. Er schluckte die lauwarme Flüssigkeit, und sein Körper reagierte entsprechend. Schnell war seine Niedergeschlagenheit wie weggeblasen, er fühlte sich nicht länger wie im Auge des Orkans, obwohl er immer noch den widersprüchlichsten Gefühlen ausgeliefert war. Er aß den Teller leer, der vor ihm stand – zuerst nur langsam, aber dann in zunehmender Panik, dass jemand ihm das Essen wieder wegnehmen könnte. Doch sie brachten ihm sogar noch einen Nachschlag. Derart gestärkt und von seiner neuen Verantwortung motiviert, kehrten seine Kraft und seine Energie zurück.
Auch Janac beendete sein Frühstück, wobei er Hamnet ungerührt beobachtete, und General Lee behielt beide mit einem leichten Anzeichen von Missbilligung im Blick. Hamnets Magen fühlte sich nach der ungewohnten Mahlzeit ziemlich aufgebläht an, als Janac wieder das Wort an ihn richtete: »Du bist also der Mann aus dem Rettungsboot.«
Da er einen Tag lang kein Wort gesprochen hatte, konnte Hamnet nur krächzen: »Wo sind meine Kinder? Ich will zu ihnen!«
Janac nickte. »Alles zu seiner Zeit. Erst wollen wir uns unterhalten.« Den Bruchteil einer Sekunde lang hielt Hamnet dem Blick stand, ehe er sich wieder seinem Teller widmete. »Drei Männer haben damals überlebt, und vier haben ins Gras gebissen, stimmt’s?«
Hamnet hielt mit vollem Mund den Kopf gesenkt.
»Was war los? Warum hast du die drei ausgewählt?«
Hamnet schaute seinen Peiniger an, kaute und öffnete zögernd den Mund, um zu antworten, entschied sich dann aber dagegen.
»Wir sind hier nicht im Waldorf«, knurrte Janac. »Du kannst auch mit vollem Mund sprechen.«
Doch Hamnet schluckte erst alles hinunter, ehe er antwortete: »Warum interessiert dich das?«
»Nun, sagen wir, mir geht es um die Frage der Moral. Und wenn du deine Kinder sehen willst, dann verarsch mich nicht.« Sein Ton gellte in Hamnets Ohren.
Hamnet fixierte Janacs mageres Gesicht mit den undurchdringlichen, kalten Augen. Er wollte über das Thema nicht sprechen, jedenfalls nicht mit diesem Mann. Aber hatte er eine Wahl? »Wir haben das Los entscheiden lassen. Und die Gewinner bekamen die Vorräte und das Boot.«
»Und du warst einer der Gewinner?«
»Ich habe die Strohhalme gehalten, und ein langer blieb am Schluss übrig.«
»Wie hast du dich dabei gefühlt?«
Beide schwiegen lange, und man hörte nur das TschiepTschiep von Toshs Schnitzerei und die entfernten Geräusche, die vom Exerzierplatz herüberwehten. Janac ließ die Dinge laufen, bis Hamnet zu essen aufhörte und nicht mehr in dem restlichen Reis herumfingerte, sondern, ohne wirklich etwas zu sehen, vor sich hinstarrte und schließlich murmelte: »Ich habe vier Tage lang gebetet, dass uns niemand auffischen sollte.«
Janac nickte wieder, schob seinen Teller weg und wischte sich die Hände an der Kakihose ab. »Was war mit den anderen vier?«
»Drei waren ziemlich am Ende, wurden schnell ohnmächtig und starben während der nächsten sechs Stunden. Der vierte war unser Philippino-Maat. Er hatte den Sturm einigermaßen überstanden und wollte nicht vom Boot wegschwimmen, ging dann aber ohne Trinkwasser im Laufe des Tages auch unter.« Hamnet sah wieder die Augen des Mannes vor sich – unerforschliche, braune Augen. »Mit Einbruch der Nacht hatte er alles überstanden.« Janac gab sich ebenso ungerührt wie der General und sagte: »Was heißt, er hat es überstanden? Ist er
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