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Schiffe versenken

Schiffe versenken

Titel: Schiffe versenken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Chisnell
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rief mit stark beeinträchtigter Stimme »Janac!«, atmete tief durch und brüllte dann »Hey!« Von oben kam keine Reaktion. Er versuchte es wieder. Und wieder. Mit wachsender Frustration. »Los, ihr Bastarde! Ich bin wach! Ihr sollt mich holen! Für Janac! Ich will Janac sprechen!«
    Hamnet zwang sich auf die Beine, trat gegen die Grubenwand und bedauerte es sofort: Der Schmerz jagte durch seinen verstauchten Knöchel. Er verlagerte sein Gewicht auf das andere Bein und schrie wieder nach Janac. Aber oben ignorierte man ihn total. Und daran änderte sich auch nichts. Hamnet tat einen Schritt vor und einen Schritt zurück und schrie immer wieder, benutzte immer die gleichen Worte, schrie immer nach Janac. Als die Sonne aufging und die Hitze des Tages kam, hielt er immer noch durch; und als seine Stimme schlapp zu machen begann, schrie er nach jedem zweiten Schritt, schließlich nur noch nach jedem dritten. Seine Kehle dörrte aus, in seinem Kopf pochte und hämmerte es, und sein Knöchel schwoll an, seine Schritte wurden langsamer, und dann blieb er stehen, war körperlich am Ende durch Wassermangel und Erschöpfung. Seine Stimme krächzte nur noch, verkam zu einem Flüstern und Wimmern – er verlangte nach Anna, nicht nach Janac. Wieder rutschte er an der rohen Wand auf den Boden und kauerte sich in der Stellung eines Embryos auf die nackte Erde. Sekunden später war er eingeschlafen.
    Als er wieder zu sich kam, fühlte sich die Erde dumpf und kalt an, und er wusste sofort, wo er war. Die Sonne war bereits untergegangen, und er versuchte, mithilfe des bläulichen Kunstlichts, das durch die Ritzen der Falltür drang, seine Uhr abzulesen: zehn Uhr abends. Sechs Stunden waren ihm einfach wie Sand durch die Finger geronnen. Er rappelte sich wieder auf und spürte die Schmerzen in jeder Faser seines Körpers. »Janac!«, versuchte er zu schreien, brachte aber nur ein Krächzen zustande. Seine Kehle war völlig ausgedörrt und peinigte ihn nach mehr als vierundzwanzig Stunden ohne Wasser. »Ihr Hurensöhne«, stöhnte er vor sich hin, »holt mich endlich hier raus!« Aber oben blieb alles still, und nicht einmal die Lagergeräusche drangen bis in sein Erdloch vor. Die Einsamkeit umgab ihn wie fließendes Wasser. Er war so nah am Ziel und doch so hilflos.
    Wieder weckten ihn das helle Sonnenlicht und die Hitze. Hamnet konnte kaum glauben, dass er geschlafen hatte, konnte es nicht fassen, dass er immer noch in dieser Grube dahinvegetierte. Wenn die Bastarde ihn zu Tode foltern wollten, warum legten sie dann nicht persönlich Hand an ihn, sodass er wenigstens um Gnade für Anna flehen konnte?
    Seine Uhr zeigte ihm, dass er nicht mehr viel Zeit hatte. Nicht in seinen schlimmsten Albträumen war er davon ausgegangen, dass er selbst Annas Todeszeitpunkt bestimmen würde. Er stellte sich vor, wie Dubre ängstlich den Umschlag aufschlitzte und dann zum Telefon wankte. Über Navtex konnte die ganze Welt in null Komma nichts informiert und gewarnt werden. Und Anna würde sterben und nicht verstehen, warum er ihr nicht zu Hilfe gekommen war. Würde sich fragen, wo er geblieben war, wo er sich auf der Shawould versteckt hatte. Warum er ihr nicht beigestanden hatte. Er dachte an ihre Berührungen, ihren Duft, ihre Stimme, ihr Lachen. Fühlte ein Würgen in seiner ausgetrockneten Kehle, und Tränen liefen ihm übers Gesicht, während die Sonne über den Himmel zog und die Zeit verstrich. Mehr als alles andere auf der Welt – mehr als irgendjemand sich auch nur vorstellen konnte, etwas zu wollen – wollte er Anna sehen. Er konnte die ungebetenen Tränen nicht stoppen.
    Plötzlich veränderte sich das Licht, und er bemerkte, dass oben etwas im Gange war. Statt des durchbrochenen Sonnenlichts traf ihn nun ein greller Lichtstrahl wie von einem Scheinwerfer. Die Falltür war geöffnet worden, und mehrere Gesichter starrten zu ihm hinunter. Mehr konnte er im Gegenlicht nicht erkennen. Jetzt konnte er nicht mehr rufen, nachdem er vorher nur noch zusammenhanglos gekreischt hatte. Dann wurde eine Leiter über den Rand zu ihm hinuntergeschoben. Er zog sich daran hinauf bis ins Tageslicht, konnte aber mit den gefesselten Händen kaum sein Gleichgewicht halten. Noch war es nicht zu spät.
    »Janac?«, brachte er mühsam heraus, während er über den Rand kroch und den Mann anstarrte, der vor ihm stand.
    Der Kerl nickte, stieß ihn erst mit dem Gewehrkolben zu Boden und winkte ihm dann, ihm zu folgen.
    Nachdem er wieder auf die Beine gekommen

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