Schiffe versenken
einmal an.«
Er schaute zu, wie Hamnet sich auf die Füße quälte und mit dem verletzten Knöchel kaum gehen konnte. Dann gab er den anderen ein Zeichen, ihnen zu folgen, ging zu einem offenen Jeep voraus und stieg vorne ein. General Lee setzte sich neben ihn, und jemand half Hamnet auf den Rücksitz, wo Tosh neben ihm Platz nahm. Seine drei Bewacher schwangen sich in einen zweiten Jeep, und Hamnet klammerte sich mit grimmiger Miene fest, während sie mit hoher Geschwindigkeit durchs Camp rasten. Er nahm nichts wahr, dachte nur an Anna und seine Kinder. Und den Preis, den er würde zahlen müssen.
Auf der anderen Seite des Lagers, wo mehrere Baracken scheinbar zufällig einen Halbkreis bildeten, hielten die Jeeps vor der ersten Hütte. Janac sprang heraus und schaute zu, wie Tosh Hamnet aus dem Wagen zog und auf die Füße stellte. Dann winkte er sie alle zu einem verwahrlosten Stück Stoff, das vor der Türöffnung hing. Hamnet stolperte darauf zu und zog den Vorhang langsam zur Seite. Als Licht in den Raum fiel, begann ein Baby erbärmlich zu schreien – verzweifelt und wimmernd. Nachdem sich Phils Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten, sah er, dass der Raum leer war bis auf eine Art Krippe aus Bambus, in der das Baby lag, und eine Matratze ganz hinten an der Wand, auf der ein Teenager in einem vergammelten T-Shirt und Shorts neben einer Opiumpfeife lümmelte. Das Mädchen schaute teilnahmslos in seine Richtung, ihre Augen wirkten stumpf und geistesabwesend und starrten dann wieder auf den Boden.
Eine Sekunde später stand Hamnet neben der Krippe. Sein Sohn – er war winzig – lag nackt auf einer feuchten, verdreckten Grasmatte in seinen Exkrementen. Fliegen summten um ihn herum und krabbelten über sein Gesichtchen, das mit einem Hautausschlag überzogen und vom Hungergeschrei und totaler Erschöpfung gerötet war. Hamnet vertrieb die Insekten und nahm das Baby mit Tränen in den Augen in seine Arme.
»Du wirst also eines mitnehmen«, stellte Janac fest. »Das andere liegt nebenan, falls du wählen möchtest.«
Hamnet schaute sich um. Er konnte hören, wie das zweite Kind in das Geschrei seines Bruders einstimmte, und der Gestank in der Hütte schien ihn fast zu überwältigen. Er wollte nur noch der Hitze und dem Summen der Insekten entkommen und so weit wie möglich vor dem Kind fliehen, das er zurücklassen musste. Den Gedanken loswerden, dass eine Wahl möglich war und dass es einen Zwillingsbruder gab. Er taumelte auf die Türöffnung zu und schleppte sich, so schnell es ging, ins Freie. Janac hielt mit ihm Schritt, doch Hamnet hatte keine Worte für den Horror und seine Qual. Er wollte einfach nur weg.
Dann hörte er Janac: »Halt!«, und die Härte, die in seiner Stimme lag, ließ ihn sofort stehen bleiben. Aber er drehte sich nicht um. Tränen zogen ihre Spuren durch den Staub auf seinem Gesicht.
»Die Dinge liegen ganz einfach«, sagte Janac. »Wir werden dich wieder über die Grenze bringen und an der Hauptstraße absetzen. Du erzählst den Behörden, dass das zweite Kind nach der Geburt gestorben ist. Dass ich dir das andere in einem Anfall von Sentimentalität wegen der Vorfälle auf See und des Todes deiner Frau überlassen habe. Du wirst ihr Mitgefühl dazu nutzen, dir einen Job bei einer der großen Reedereien in Hongkong oder Singapur zu besorgen. Mir ist jede recht. Und dann versorgst du mich mit Informationen, und zwar interessieren mich alle wertvollen Ladungen, die man leicht abtransportieren kann – Container mit Computerchips zum Beispiel. Ich will die Ladetermine wissen und die Routen und ständig die neuesten Positionsangaben in bestimmten Revieren, die wir dir vorher nennen. Alle großen Reedereien arbeiten heutzutage mit Tracking-Systemen und verfügen deshalb über die aktuellen Informationen über die Position ihrer Schiffe, die du an mich weiterleiten wirst. So kann ich jederzeit, dank deiner Hilfe ohne technischen Aufwand, das geeignetste Schiff am geeignetsten Ort übernehmen. Du wirst vier Schiffe für mich aussuchen, und je schneller du mir die Beute zutreibst, desto schneller bekommst du dein zweites Balg. Andernfalls wirst du das Kind nie wiedersehen. Spiel ein doppeltes Spiel, und du hast es umgebracht.«
Mit seiner zerbrechlichen, wertvollen Last in den Armen drehte sich Hamnet zu ihm um. Er wusste zwar, dass er nicht in der Position für Verhandlungen war, und murmelte trotzdem: »Das kannst du nicht tun«, worauf Janac scharf entgegnete: »Ich kann es
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