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Schiffsdiebe

Schiffsdiebe

Titel: Schiffsdiebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paolo Hannes; Bacigalupi Riffel
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keinen Gedanken darauf verschwendet, was für Konsequenzen das alles für sie haben würde. Er hatte nur weg gewollt, alles andere war wie ausgeblendet gewesen. Doch jetzt fühlte er sich schuldig, als hätte er seine besten Freunde im Stich gelassen.
    Er blickte den Weg zurück, den er gekommen war, und berührte mit der freien Hand seine Stirn. Vielleicht wurden seine Freunde ja auch selbst mit seinem Vater fertig, vielleicht glaubte der ja die Geschichte, dass Tool ihn um der Belohnung willen verraten hatte und dass es nicht Pimas Mutter und Pima gewesen waren, die ihm die große Beute abgejagt hatten. Nailer betete für diejenigen, die er zurückgelassen hatte. Schließlich drehte er den Kopf wieder nach vorne und ließ den Wind an sich vorbeirauschen. Er öffnete den Mund und genoss die Wärme, die Geschwindigkeit und die Gerüche des Dschungels.
    Durch die Bäume erhaschte er einen Blick auf den blauen Ozean. Der Zug fuhr auf die Küste zu. In der Ferne sah er mehrere Klipper vor Anker liegen. Ihre Segel schimmerten im Sonnenlicht – eine weiße Möwe, die sich auf der spiegelglatten Meeresoberfläche ausruhte. Bei dem Gedanken an all die Leute, die sich in diesem Moment auf die Suche nach ihnen machten, musste er grinsen. Sie hatten ja nicht die geringste Ahnung, dass er sie längst überlistet hatte!
    Wieder schob sich der smaragdgrüne Dschungel vor das Meer, und die Schiffe verschwanden. Nailer blickte den Zug entlang nach vorne, wo bald die Türme des untergegangenen Orleans auftauchen würden.

1 6
    Nicht lang, und ihnen wurde klar, dass sie ihre Flucht besser hätten planen müssen.
    Sie waren derart überstürzt aufgebrochen, dass sie kaum etwas mitgenommen hatten. Und während ihrer Reise zwischen den Waggons konnten sie sich nichts zu essen suchen. Schon nach Stunden hatte Nailer entsetzlichen Hunger. Sehnsüchtig erinnerte er sich an das Abendessen von gestern.
    Eigentlich hatte er erwartet, dass sie fast nichts zu essen brauchen würden, wenn sie die ganze Zeit still saßen. Schließlich war das nicht wie bei der Leichten Kolonne, wo sie die ganze Zeit hart arbeiten mussten. Aber sein Körper war von den drei Tagen, die er im Fieber gelegen hatte, bereits völlig ausgemergelt, und jetzt hatte er das Gefühl, sein Magen würde gegen seine Wirbelsäule drücken. Da er nichts dagegen tun konnte, biss er die Zähne zusammen und nahm sich vor, sich sofort auf die Suche nach etwas Essbaren zu machen, sobald sie in der untergegangenen Stadt waren.
    Unterhalb der Leitern, die an der Vorder- und Rückseite der Waggons auf das Dach führten, befanden sich kleine Wartungsplattformen. Doch diese Stahlplanken waren kaum mehr als einen halben Meter breit, sodass man zwar auf ihnen stehen und arbeiten, aber sich nur schlecht länger auf ihnen aufhalten konnte. Tool war gleich zu Beginn über die Dächer gestiegen, um zu schauen, ob er einen offenen Wagen fand, aber er bekam keine der verriegelten Türen auf, und so kauerten sie nun zwischen den Waggons, während der Boden unter ihnen hindurchraste und der Wind an ihren Kleidern zerrte. So grässlich das war, war es doch immer noch besser, als sich oben auf den Dächern aufzuhalten, wo die Sonne unbarmherzig auf sie herabbrannte.
    Auf der schmalen Plattform zu schlafen war völlig unmöglich. Also schoben sie sich zwischen Leiter und Waggon und nickten immer wieder ein, so lange, bis sie wieder wachgerüttelt wurden, wenn der Zug ruckartig schneller wurde oder abbremste. Der Zug schien das Tempo überhaupt nur ruckweise zu verändern, sodass sie stets befürchten mussten, heruntergeschleudert zu werden. Nachdem Nailer und Nita beinahe in die Lücke zwischen den Waggons gestürzt wären, hakten sie sich mit beiden Armen in der Leiter ein. Ein anderes Mal bremste der Zug so plötzlich, dass Tool sie fast zerquetscht hätte – er wurde gegen das Metall geworfen, und Nailer dröhnte noch eine ganze Weile danach der Kopf.
    Diese ganzen Unannehmlichkeiten wären jedoch erträglich gewesen, wenn sie mehr Wasser gehabt hätten. Die paar Flaschen, die sie in ihren Taschen bei sich trugen, waren rasch leer getrunken, und am zweiten Tag hatten sie alle entsetzlichen Durst. Es wurde immer heißer, die Luft immer feuchter. Ihnen blieb nichts anderes übrig, als zuzuschauen, wie die Landschaft an ihnen vorbeirauschte, und zu hoffen, dass sie bald ihr Ziel erreichten. Manchmal glitten große Seen unter ihnen hinweg, und dann überlegten sie, ob sie nicht in das kühle Wasser

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