Schiffsdiebe
uns?«
Tool sah Sadna vielsagend an und wies dann mit einer Kopfbewegung zum Strand hinüber. » Die Leute auf dem Klipper haben selbst Halbmenschen dabei. Sie werden sich fragen, was ich hier verloren habe. Das könnte so manchen hier in Schwierigkeiten bringen.«
» Wir schaffen das auch allein«, sagte Nailer.
» Das glaube ich dir gerne«, erwiderte Tool. » Aber vielleicht könnt ihr von meiner Weisheit profitieren.« Er bleckte seine scharfen Zähne.
» Seid froh, dass er euch helfen will«, sagte Sadna. Sie wandte sich zu Tool um und umfasste seine gewaltige Hand. » Du hast was bei mir gut.«
» Nicht der Rede wert.« Tool lächelte – kein schöner Anblick. » Ob ich nun hier Leute umbringe oder woanders, ist mir egal.«
1 5
Die Erde bebte, als der Zug auf sie zugerollt kam. Sie duckten sich hinter große Farnwedel. Die Lokomotive donnerte heran und raste dann an ihnen vorbei. Beim Anblick der dahinrasenden Maschinen wurde Nailer ganz mulmig. Ein starker Wind blies ihm ins Gesicht und zerrte an den Blättern der Bäume und Büsche. Der Zug schien ihn nach vorn reißen zu wollen, auf die riesigen Räder zu, die ihm bis über die Brust reichten. Da wurde Nailer klar, dass es eine Sache war, sich vorzustellen, auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, und eine andere, es auch tatsächlich zu tun.
Vielleicht sollte er es sich doch noch einmal überlegen – sie konnten ja auch ein Boot stehlen und die Küste entlangsegeln oder den Weg durch den Dschungel und über die Sümpfe nehmen … Aber dafür fehlten ihnen die Vorräte. Und auf dem Wasser würde sie der Klipper innerhalb von kürzester Zeit einholen. Es gab keine andere Möglichkeit. Sie mussten rennen, und zwar jetzt sofort.
Die Güterwaggons flogen an ihnen vorbei, einer nach dem anderen. Aus der Ferne hatte er den Eindruck gehabt, sie wären viel langsamer. Doch aus der Nähe erkannte er, wie schnell sie wirklich waren. Beschleunigte der Zug nicht sogar? Als Reni versucht hatte, auf einen Waggon aufzuspringen, hatte alles viel einfacher ausgesehen. Offenbar hatte es der Zugführer eilig. Das hatte Reni das Leben gekostet – er hatte die Geschwindigkeit falsch eingeschätzt. Außerdem war er betrunken gewesen und hatte sich darauf verlassen, dass es ihm schon früher gelungen war, auf den Zug aufzuspringen.
Nailer, Nita und Tool traten gemeinsam aus dem Gestrüpp und kletterten die Böschung hinauf. Der Fahrtwind des Zuges zerrte an ihnen. Das Brüllen des Zuges war ohrenbetäubend. Nailer warf seinen Begleitern einen fragenden Blick zu. Nita hatte die Augen weit aufgerissen. Tool beobachtete sie teilnahmslos, vielleicht sogar herablassend. Für den Halbmenschen war das keine Herausforderung. Nailer wünschte sich, Tool wäre groß genug, um sie einfach hochzuheben und sie zu tragen, während er auf den Waggon aufsprang.
Hör auf, dir unmögliche Dinge zu wünschen. Du musst dich beeilen!
Ihnen blieb nicht mehr viel Zeit. Das Ende des Zuges kam rasend schnell näher. Jetzt oder nie. In dem Ölreservoir war es genau dasselbe gewesen – um zu überleben, hatte er tauchen müssen, und zwar tief. Aber damals hatte er keine andere Wahl gehabt. Dieses Mal suchte er verzweifelt nach einem Ausweg. Los, redete er sich zu. Aber seine Füße schienen wie angewurzelt.
Reni war ständig auf Züge aufgesprungen. Hatte damit angegeben. Während das Herz in Nailers Brust pochte wie verrückt, versuchte er sich alles in Erinnerung zu rufen, was Reni ihm erklärt hatte. Er packte Nita an der Schulter und schrie: » Du rennst ein Stück vor dem Waggon her, bis er dich eingeholt hat, und dann greifst du nach der Leiter. Du darfst sie auf keinen Fall wieder loslassen!« Er deutete auf die Räder. » Wenn du fällst, ist es vorbei mit dir, also halte dich fest, egal wie sehr es wehtut.« Und er sagte es noch einmal. » Auf keinen Fall loslassen!« Er hielt inne. » Und zieh die Beine an!«
Sie nickte erneut. Er holte tief Luft und versuchte, seinen ganzen Mut zusammenzunehmen.
Plötzlich flitzte Nita los.
Nailer starrte ihr überrascht nach. Neben den dahinrasenden Rädern und den Leitern wirkte sie jämmerlich klein. Eine Leiter sauste an ihr vorbei. Noch eine. Sie schenkte ihnen keine Beachtung. Sie rannte nur mit hüpfendem Pferdeschwanz neben dem Zug her.
Eine weitere Leiter, zwei, drei. Bei der vierten sprang sie. Sie bekam eine Sprosse zu fassen und wurde nach vorn gerissen. Ihre Beine flogen durch die Luft. Einen Moment später streiften ihre Füße
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