Schiffsdiebe
sterben.
Nailer glitt ein Stück weiter unter die Planken und folgte den Schritten, die er über sich hörte. In manchen Gesprächen wurde ein Kapitän erwähnt, aber kein Name. Es hieß nur, » der Kapitän« wolle bald ablegen, » der Kapitän« müsse sich an einen Zeitplan halten.
Nailer wartete und hoffte, jemand würde den Namen der getreuen Kapitänin Sung erwähnen. Die Wellen warfen ihn hin und her. Aus Mangel an Bewegung wurde ihm kalt. Selbst das tropisch warme Wasser saugte ihm die Wärme aus dem Leib. Das schwimmende Dock und seine Verankerung schwankten langsam auf der Stelle. Über ihm knarrten Schritte. Ein Motor heulte auf – jemand verbrannte Biodiesel, um zum Schiff hinüberzugelangen. Gesichter glänzten in der Dunkelheit. Finster dreinschauende Männer und Frauen mit Narben. Jemand kam herbeigeeilt, um das Boot in Empfang zu nehmen.
» Käpt’n.«
Der Neuankömmling antwortete nicht, sondern stieg wortlos aus. Er wandte sich der Stadt zu. » Wir müssen bald ablegen.«
» Jawohl, Sir.«
Nailer wartete mit klopfendem Herzen. Das war nicht Kapitän Sung. Das war ein Mann, keine Frau. Und er hatte auch nichts Chinesisches an sich. Nita hatte sich geirrt. Die Lage hatte sich verändert. Nailer verdrängte seine Enttäuschung. Sie würden einen anderen Weg finden müssen.
Der Kapitän stand fast direkt über Nailer. Er spuckte keinen Handbreit von ihm entfernt in das Wasser.
» Pyce hat überall auf den Docks seine Leute«, sagte er.
» Ich habe kein Schiff gesehen.«
Der Kapitän spuckte erneut. » Wahrscheinlich liegt es ein Stück außerhalb vor Anker, und sie sind mit dem Boot reingekommen.«
» Was haben die hier vor?«
» Nichts Gutes, denke ich mal.«
Nailer schloss die Augen. Der Feind meines Feindes ist mein Freund, dachte er. Der Kapitän und sein Oberstleutnant stiegen den Landungssteg hinauf. » Wir laufen mit der nächsten Flut aus«, sagte der Kapitän. » Ich möchte unterwegs sein, bevor wir mit ihnen reden müssen.«
» Was ist mit dem Rest der Mannschaft?«
» Sorgen Sie dafür, dass sie zurück an Bord kommen. Aber beeilen Sie sich. Ich möchte vor Sonnenaufgang von hier fort sein.«
Der Oberstleutnant salutierte und drehte sich zur Barkasse um. Nailer holte tief Luft. Es war ein Risiko, aber ihm blieb keine andere Wahl. Er schwamm unter der Landungsbrücke hervor und rief: » Käpt’n!«
Der Kapitän und sein Oberstleutnant fuhren erschrocken herum. Beide zogen ihre Pistolen. » Wer ist da?«
» Nicht schießen!«, rief Nailer. » Ich bin hier unten.«
» Was zum Teufel hast du da im Wasser zu suchen?«
Nailer schwamm auf das Schiff zu und grinste. » Ich hab mich versteckt.«
» Mach, dass du hier raufkommst!« Der Kapitän war noch immer argwöhnisch. » Ich will dein Gesicht sehen.«
Nailer kletterte aus dem Wasser, wobei er inständig hoffte, dass er keinen Fehler begangen hatte. Keuchend kauerte auf dem Deck.
» Hafenratte«, sagte der Oberstleutnant angewidert.
» Selber.« Nailer schnitt eine Grimasse und wandte sich dann dem Kapitän zu. » Ich habe eine Botschaft für Sie.«
Der Kapitän blieb, wo er war, und steckte auch die Pistole nicht ein. » Dann raus damit!«
Nailer wies mit einer Kopfbewegung auf den Oberstleutnant. » Sie ist nur für Sie.«
Der Kapitän runzelte die Stirn. » Wenn du etwas zu sagen hast, sag es.« Dann rief er über die Schulter: » Knot! Vine! Werft diese Ratte zurück ins Wasser.« Die beiden Halbmenschen stürzten herbei. Nailer war fassungslos, wie schnell sie waren. Sie hatten ihn an den Armen gepackt, bevor er überhaupt an Flucht denken konnte.
» Warten Sie!«, schrie Nailer und wand sich im eisernen Griff der Halbmenschen. » Ich habe eine Botschaft für Sie. Von Nita Chaudhury!«
Ein plötzliches Keuchen. Der Kapitän und sein Oberstleutnant wechselten vielsagende Blicke.
» Was war das?«, fragte der Oberstleutnant. » Was hast du gesagt?« Er stürmte auf Nailer zu. » Was hast du da gesagt?«
Nailer zögerte. Konnte er diesem Mann vertrauen? Irgendeinem dieser Männer? Es gab zu viele Dinge, die er nicht wusste. Er musste es riskieren. Entweder hatte er Glück, oder er war in eine Falle gelaufen. » Nita Chaudhury. Sie ist hier.«
Der Kapitän trat dicht vor ihn hin, seine Miene ausdruckslos. » Lüg mich nicht an, Bürschchen.« Er nahm Nailers Gesicht in die Hände. » Wer hat dich geschickt? Wer steckt hinter den Lügen, die du da erzählst?«
» Niemand!«
» Unfug.« Er nickte einem der
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