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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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ganzer Lachs gab einen Leuchtturm ab, sandte Strahlen aus funkelnden Makrelen aus. Alles umrahmt von einem Rand aus Krebszangen.
    Sie hatte Quoyles Liste, seinen Umschlag mit dem Geld für die Kleider für Bunny und Sunshine. Trikots, Cordhosen, einen Pullover für Sunshine, Socken und Höschen. Was für ein ungeheures Vergnügen, für kleine Mädchen einzukaufen. Sie fügte Haarspangen hinzu, Socken mit Bündchen aus Spitzenmuscheln, zwei hübsche Wollmützen, grünblau und violett. Paßte auf Taschendiebe auf, von denen es in Städten wimmelte. Aß zu Mittag ein Roastbeefsandwich und verbrachte den Nachmittag damit, einfach durch teure Läden zu bummeln, sah sich alles an und gab keinen weiteren Cent aus.
     
    Auch Quoyle ging einkaufen, umkreiste die Regale des Geschenkladens im Irrenhaus, weil er dem alten Onkel etwas mitbringen wollte. Wer wußte, wie seine Erinnerungen aussahen? Wer wußte, wie sein Leben ausgesehen hatte? Er hatte gefischt. Schneckenkörbe hochgezogen. Hatte einen Hund besessen. Ging nachts spazieren. Knüpfte Knoten.
    Er schaute bei den Ringermagazinen und den maschinell bestickten Duftbeuteln, fand das sentimentale Foto eines Pudels in einem geprägten Metallrahmen. Das mußte genügen. Überflüssig, es einpacken zu lassen, sagte er der Frau an der Kasse und steckte es in seine Jackentasche.
    Der alte Onkel saß auf einem Plastikstuhl mit hölzernen Armlehnen. Saß allein an einem Fenster. Er war sehr sauber und trug ein weißes Nachthemd, einen weißen Bademantel. Pappslipper an seinen geäderten Füßen. Er starrte auf einen Fernseher in einer Halterung oben an der Wand, dessen Bild so verschwommen war, daß bei jedem Gesicht zwei Münder, vier Augen und extra Wangenkonturen zu sehen waren. Ein kahlköpfiger Mann redete über Diabetes. Ein knallblauer Werbespot für Frostschutzmittel mit Fragmenten eines Hockeyspiels, einem Eisregen.
    Quoyle stieg auf einen Stuhl, stellte Kontrast und Schärfe ein, drehte leiser. Kletterte herunter, setzte sich. Der alte Onkel sah ihn an.
    »Bist auch hergekomm’?«
    »Ja«, sagte Quoyle. »Ich wollte dich besuchen.«
    »Verdammt lange Fahrt, wie?«
    »Ja«, sagte Quoyle. »Aber Wavey Prowse hat mir Gesellschaft geleistet.« Warum sagte er dem alten Onkel das?
    »Ach ja. Hat ihr’n Mann verlor’n.«
    »Ja«, sagte Quoyle. Quoyle fand, daß mit dem Verstand des alten Mannes alles in Ordnung war. Er sah sich nach geknoteten Fäden um, sah keine. »Und was hältst du davon?« fragte er vorsichtig. Konnte alles heißen.
    »Oh! Wunnerbar! Wunnerbares Essen! Sie ham heiße Regenbäder aus der Decke, mein Sohn, oh, wie weiße Seide, die Seife, die schäumt inner Hand. Kommst dir vor wie’n Bub, wennde so unners heiße Wasser gehst. Sie geben dir jeden Tag neue Kleider. Weiß wie angewehter Schnee. Der Fernseher. ’s gibt Karten und Spiele.«
    »Hört sich angenehm an«, sagte Quoyle und dachte, er kann nicht zurück in den stinkigen Saustall.
    »Nein, nein. Nur angenehm isses nich’. Der ganze Laden is’ voller Spinner. Ich weiß, wo ich bin. Trotzdem is’ der Komfort hier so wunnerbar, daß ich ihn’n was vorspiel’. Sie fragen mich: ›Wer sin’ Sie?‹ – Ich sag’: ›Joey Smallwood.‹ Oder: ›Größter Krebs im Korb.‹ ›Ach, der spinnt‹, denken sie. ›Den behalten wir da.‹«
    »Hm«, sagte Quoyle. »In Killick-Claw gibt’s ein Altenheim. Vielleicht gibt’s die Möglichkeit ... « War sich aber nicht sicher, ob sie ihn nehmen würden. Langte in seiner Tasche nach dem Foto mit dem Pudel, reichte es dem alten Mann.
    »Hab’ dir ein Geschenk mitgebracht.«
    Der alte Mann hielt es in seiner zitternden Klaue, schaute. Wandte sich von Quoyle ab, zum Fenster hin, zum Meer hin, fuhr mit der linken Hand hoch, die Finger über den Augen.
    »Ich hab’ Knoten gegen dich gebunden. Winde geweckt. Die Schafe sin’ tot. Weißgesicht kommt hier nich’ rein.«
    Schmerzlich. Quoyle wünschte sich, er hätte eine Packung Pralinen gekauft. Hielt aber durch.
    »Onkel Nolan.« Wie sonderbar die Worte klangen. Aber daß er sie aussprach, band ihn in gewisser Weise an diese verschrumpelte Hülse. »Onkel Nolan Quoyle. Das ist alles Vergangenheit. Mach’ dir keine Vorwürfe. Hältst du’s aus, bis ich mich im Altenheim erkundigt habe? Dort sind ’ne ganze Menge Leute aus Killick-Claw und No Name Cove. Du weißt, daß Du nicht nach Capsize Cove zurück kannst.«
    »Wollt’ nie dort bleiben! Wollt’ Pilot werden. Fliegen. Ich war siemundzwanzig, als

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