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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Lindbergh den Atlantik überquert hat. Damals hätt’st du mich sehn soll’n! Ich war stark! Er war hier in Neufundland. Von hier isser gestartet. Alle warense hier: der heilige Brendan, Leif Erikson, John Cabot, Marconi, Lucky Lindy. Große Dinge sin’ hier passiert. Das hab’ ich immer gewußt. Gewußt, daß ich dazu bestimmt bin, schöne Sachen zu machen. Aber wie anfangen? Wie wegkommen und anfangen? Ich hab’ mitm Fischen angefang’, aber sie ham Böen-Quoyle zu mir gesagt. Weißte, ich war ’n Unglücksrabe, brachte immer schlimme Winde. Hatte kein Glück. Keiner von den Quoyles hatte Glück. War ganz allein. Am Ende sin’ meine Hoffnungen gesunken.«
    Quoyle sagte, er würde sich über das Altenheim in Killick-Claw informieren. Dachte, in der Zwischenzeit würde er nichts unterschreiben.
    Der alte Onkel blickte an Quoyle vorbei zur Tür.
    »Wo is’ Agnis? Sie hat mich nich’ mal besucht.«
    »Ehrlich gesagt, ich weiß nicht, warum.«
    »Ach, ich weiß, warum sie nich’ vorbeikommen will. Schämt sich! Sie schämt sich, weil ich weiß, was ich weiß. War aber froh genug, daß sie zu mir ins Haus konnt’, wie sie noch ’n Mädel war. Kam zur Alten mit ihr’n Schwierigkeiten, hat gebettelt um Hilfe. Geschnieft und geheult. Dreckige Frauensachen! Ich hab’ gesehn, wie sie die Wurzel ausgegraben hat. Scheele kleine Wacholderbeeren, die Teufelsaugen ham aus dem Gebüsch zugeschaut. Hat aus den Wurzeln schwarzen Teufelssud gekocht, hat ihn ihr in der Küche gegeben. Sie war die ganze Nacht dabei, kreischte wie eine Bombe, ein Geheul, daß ich nich’ schlafen konnt’. Seh’ sie am Morgen, wollt’ nich’ aufschaun, drehte ihr hübsches Gesicht zur Wand. Im Becken war was Blutiges.
    ›Na und‹, sag’ ich, ›isses vorbei?‹
    ›Ja‹, sagt die Alte. Und ich geh’ zu mein’m Boot raus. ’s war ihr Bruder, weißte, der klobige, dicke Guy Quoyle. War an ihr dran, seit sie ’n kleines Mädel war.«
    Quoyle zog eine Grimasse, spürte, wie seine schrundige Unterlippe aufplatzte. Also war die Tante auch auf der Alptraum-insel gewesen. Sein eigener Vater. Herrgott!
    »Ich komm’ morgen früh vorbei«, nuschelte er. »Wenn du was brauchen solltest.« Der alte Mann blickte das Foto mit dem Pudel an. Aber Quoyle glaubte im Weggehen, nun doch das wahnsinnige Funkeln zu sehen, erinnerte sich an Billys böse Geschichte über die tote Frau des Mannes. Die alte Frau. Hatte sich über die Leiche hergemacht. Ach, die Quoyles.
    Im Speisesaal des Hotels bestellte Quoyle Wein. Irgendeinen obskuren Burgunder, korkig und sauer. Wie anmutig Wavey das Glas hob. Aber er stieg ihnen sofort zu Kopf, und beide redeten sie wie wild – ja, wovon? – von nichts. Er hörte ihre dunkle Stimme, sogar wenn sie schwieg. Quoyle vergaß den alten Onkel mit allem, was er gesagt hatte; fühlte sich herrlich, herrlich. Wavey beschrieb die Sachen aus den Geschäften, Sunshines kobaltblauen neuen Pullover, der ihre feurigen Locken betonen würde. Sie spürte den neuen Büstenhalter unter ihrem Kleid und Unterrock. Proben vom Parfümtresen sandten jedesmal, wenn sie die Gabel hob, von ihren Handgelenken erlesene Düfte aus. Über den Tisch blickten sie einander an. Erst kurz, dann mit den ausgedehnten und durchdringenden Blicken, die sexueller Vereinigung vorausgehen. Weingläser klirrten. Butter schmolz auf ihren Messern. Quoyle ließ eine Krabbe fallen, und Wavey lachte. Er lasse immer Krabben fallen, sagte er. Sie aßen beide Kalbsschnitzel. Noch eine Flasche Wein.
    Nach so einem Abendessen war das Kino fast zuviel. Sie gingen trotzdem. Etwas über eine französische Einsiedlerin, die durch Jalousien spähte und mit einem Brotmesser spielte.
    Und schließlich ins Bett. »Ach«, sagte Wavey, die benommen und ein wenig angeschlagen in Quoyles breiten Armen lag, »das ist das Hotel, in dem Herold und ich unsere Flitterwochen verbrachten.«
    Am Morgen sagte der Pfleger, der alte Mann dürfe nicht besucht werden. Hatte das Glas aus dem Pudelbild gebrochen und auf jeden eingestochen, der sich ihm näherte. Und wurde ruhiggestellt. Von wegen Altenheim.

37
    Schlingensteine
    »Der Schlingensteinstek ... wird zum Verankern von Hummerkörben genommen. Er kann sowohl in die Bucht als auch in das Ende gebunden werden. Die Enden werden festgezogen und die Törns in der stehenden Part durch die Schlaufen genommen.«
     
    DAS ASHLEY-BUCH DER KNOTEN

    Wochen grausamer Kälte. Quoyle fühlte sich in Pullover und Anorak recht wohl. Der alte Kombi

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