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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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einen Kabeljau. Anfangs war es ihm merkwürdig vorgekommen, ein Redaktionstreffen so zu gestalten.
    »Die Hände können genausogut was tun, während wir reden«, sagte Jack, richtete sich auf. »Hab’ immer den Anblick von fünf, sechs erwachsenen Männern gehaßt, die um einen Tisch sitzen und nichts tun, als die Kiefer zu bewegen. Du siehst sie rumkritzeln, ein Blatt Papier abreißen, mit dem Fuß wackeln, mit Büroklammern rumfummeln.«
    An Büroklammern wollte Quoyle nicht denken. Erzählte Jack von dem Mann mit der Maschinenpistole, dem Schuß ins Blaue auf der Autobahn, den Unruhen.
    »Is’ doch bekannt, wie gewalttätig es in den Staaten zugeht. Das Schlimmste, was du hier kriegst«, sagte Jack, »is’ ’n guter Kinnhaken und vielleicht, daß dein Auto über die Klippe geschoben wird.« Sie arbeiteten schweigend weiter.
    Jack sagte, der Kabeljau sei klein, vier bis fünf Pfund im Schnitt, heutzutage fange man nur noch selten einen über fünfzig Pfund, obwohl die Männer in früheren Zeiten große Exemplare mit zweihundert Pfund gefangen hätten. Oder mehr. Zwanzig Jahre lang erbarmungslos überfischt, bis die Bestände beinahe zusammenbrachen. Sind zusammengebrochen, sagte Jack, oben am Tisch, sein Messer in Bewegung.
    »Warum ich nich’ zu fischen aufhöre, tja«, sagte er, schlitzte behende auf, riß die Eingeweide heraus, eine Zigarette im Mundwinkel, »selbst wenn ich wollte, das liegt daran, daß ich nie wieder meine Lizenz zum Hummer- oder Lachsfangen kriegen würde. Weiß zwar nicht, warum, aber das Hummer-fischen mag ich am liebsten. Du läßt deine blöde Lizenz nur eine Saison lang auslaufen, und sie is’ für immer futsch.«
    »Billy hat gesagt, ich soll dir sagen, es geht das Gerücht, daß Sea Song nächsten Monat vielleicht drei Fabriken zumacht. Sagt, er hat gehört, daß No Name eine davon sein könnte.«
    »Herrgott! Da denkst du, schlimmer kann’s nicht kommen, und es kommt schlimmer! Diese blöde Sache mit der Zuteilung von Fischereiquoten, als ob’s Kartoffeläcker wären, die du ausgräbst. Wenn kein Fisch da is’, dann kannst du keinen zuteilen, und du kannst keinen fangen. Wenn du keinen fangen kannst, dann kannst du ihn nicht verarbeiten und auch nicht verschiffen, du hast kein Auskommen für niemand. Niemand versteht die verrückten Regeln mehr. Pfuschen nur rum. ›Zu viele einheimische Fischer für zu wenig Fisch‹, sagen sie. Und wo ist der Fisch hingekommen? Zu den Russen, Franzosen, Japsen, nach Westdeutschland, Ostdeutschland, Polen, Portugal, Großbritannien, Spanien, Rumänien, Bulgarien – oder wie die Länder heutzutage alle heißen. Und selbst nach Festlegung der Höchstgrenze war das Fischen in der Küsten-zone nichts. Wie soll der Fisch denn bis an die Küste kommen, wenn die Trawler und Schleppnetzfischer ihn fünfzig, hundert Meilen weit draußen schnappen? Und die Longliner den Rest zwanzig Meilen vor der Küste? Was bleibt dann noch für die Küstenfischer?«
    Er spuckte ins Wasser. Beobachtete Quoyles unbeholfenes Hantieren mit dem Messer.
    »Jetzt hast du in etwa ’ne Vorstellung. Mehr is’ nich’ dabei. Mußt nur üben.«
    »Die Anzeigen, Jack. Die getürkten Anzeigen würd’ ich gern streichen. Wir brauchen mehr Platz. Letzte Woche hatten wir den Artikel über die Sägemühle, den Artikel über den neuen Park für Landesgeschichte in Misky Bay, die Demonstration gegen ausländische Fischer vor den Virgin Rocks, eine Demonstration gegen die hohen Stromtarife, den Streik der Krabbenverarbeiter – gute, handfeste Artikel aus dem Lokal-bereich -, und wir mußten sie ganz schön reinquetschen. Keine Bilder. Es wär’ natürlich was anderes, wenn’s echte Anzeigen wären.«
    »Ach, das war Tert Cards Idee, getürkte Anzeigen für große Läden unten in St. John’s zu bringen. Damit’s so aussieht, als wär’n wir groß dabei, verstehst du. Um die einheimischen Anzeigenkunden ein bißchen anzuschubsen. Nur zu, schmeiß die Anzeigen raus, wenn du den Platz brauchst. Weißt du, wie wir anfingen, hatten wir nicht so viele Nachrichten. Und die Anzeigen sahen gut aus.«
    Einer nach dem anderen fielen die ausgenommenen Fische in den grauen Plastikkanister. Jack schleuderte die Gedärme und Lebern ins Wasser.
    »Fischereiprobleme? Verdammt schlimme Probleme. Die haben die Küstenfischer zu ’ner Art Wanderarbeiter gemacht. Wir ernten nur noch das Produkt. Ziehen von einer Ernte zur nächsten, pflücken, was sie uns sagen. Nehmen, was sie uns bezahlen. Wir

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