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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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spuckte und knatterte, gab schließlich in Sichtweite des Gammy Bird den Geist auf. Quoyle stieg aus, schob mit der Schulter, lenkte mit einer Hand. Brachte ihn zum Rollen, sprang hinein und drehte den Schlüssel um, legte den Gang ein. Der Motor sprang ein paar Sekunden lang an und starb wieder ab, während er hinter Billys verfallenen Dodge rollte. Eis in der Benzinleitung, dachte er. Vielleicht hat Billy Benzin, das in Ordnung ist.
    Billy hatte Telefonnotizen. Zwei Anrufe der Direktorin von Bunnys Schule. Sofort zurückrufen. Quoyle wählte, das Herz schlug ihm bis zum Hals. Wenn Bunny nur nichts passiert war.
    »Mr. Quoyle. Wir hatten heute morgen einigen Ärger mit Bunny. In der Pause. Leider muß ich Ihnen mitteilen, daß sie Mrs. Lumbull, eine der Lehrerinnen, geschubst hat. Sehr fest geschubst hat. Genauer gesagt hat Bunny sie umgeworfen. Sie ist für ihr Alter sehr groß und kräftig. Nein, es war kein Versehen. Es war eindeutig Absicht. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu sagen, daß Mrs. Lumbull aufgeregt ist und sich nicht erklären kann, warum das Kind sie geschubst hat. Bunny will nichts dazu sagen. Sie sitzt mir an meinem Schreibtisch gegenüber und weigert sich, etwas zu sagen. Mr. Quoyle, Sie kommen wohl besser hierher und holen sie ab. Mrs. Lumbull kannte Bunny nicht einmal. Sie ist nicht in ihrer Klasse.«
    »Billy, kann ich mir deinen Wagen ausleihen? Hab’ Eis in der Benzinleitung.«
     
    Bunny war ins Vorzimmer geschickt worden. Dort saß sie in Mütze und Mantel, die Arme verschränkt, das Gesicht rot und trotzig. Wollte Quoyle nicht ansehen. Blieb verschlossen.
    Die Direktorin mit ihrem flaumigen Gesicht, das braune Wollkostüm. Fingernägel wie die Kellen von Andenkenlöffeln. Hielt einen Stift in der Hand, als wäre sie beim Schreiben gestört worden. Eine autoritäre Stimme, durch Übung vervollkommnet.
    »Unter den gegebenen Umständen bleibt mir keine andere Wahl, als Bunny von der Schule zu weisen, bis sie ihr Verhalten erklärt und sich bei Mrs. Lumbull entschuldigt. Also, Bunny, das ist deine letzte Chance. Dein Vater ist jetzt da, und ich möchte, daß du die Sache aus der Welt schaffst. Sag mir, warum du die arme Mrs. Lumbull geschubst hast.«
    Nichts. Quoyle sah, daß das Gesicht seines Kindes so voller Wut und Jammer war, daß es nicht sprechen konnte.
    »Komm«, sagte er sanft, »gehen wir raus in Billys Wagen.« Nickte der Direktorin zu. Die ihren Stift mit einem harten Geräusch auf den Tisch legte.
    Im Wagen heulte Bunny.
    »Du hast die Lehrerin geschubst?«
    »Ja.«
    »Warum?«
    »Sie ist die allerschlimmste!« Und wollte nicht mehr sagen.
    Also fuhr Quoyle mit ihr zu Beety, dachte, wir sind wieder soweit.
    »Mrs. Lumbull, was?« Beety zog die Brauen hoch. »Wette drei Kekse, daß du Grund dazu hattest.«
    »Und ob«, sagte Bunny und schniefte laut. Beety schob Quoyle zur Tür. Winkte ihn unauffällig hinaus.
    Er erfuhr die Geschichte am Nachmittag. Von Beety über Marty.
    »Mrs. Lumbull arbeitet als Springerin, übernimmt die Klassen, wenn die eigentliche Lehrkraft krank oder bei ’ner Besprechung ist. Heut hat sie die Sonderklasse übernommen. Hat sie alle mit ins Freie genommen. Ist die Klasse von Herry Prowse. Der arme Herry kommt in die kalte Luft und meint, er muß pinkeln. Versucht, es Mrs. Lumbull zu sagen. Hüpft auf und nieder. Du weißt, wie Herry spricht. Nicht nur, daß sie ihn nicht versteht – oder vielleicht doch -, sondern sie läßt ihn sich auch an die Ziegelsteinwand stellen, um sein Gezappel zu kurieren, und jedesmal, wenn er ihr sein Bedürfnis mitzuteilen versucht, äfft sie ihn nach und stößt ihn zurück.
    Herry plappert dahin, macht sich schließlich die Hose naß und fühlt sich gedemütigt. Und da kommt der Racheengel, Miss Bunny Quoyle, mit vollem Tempo, und rammt Mrs. Lumbull von hinten in die Knie. Der Rest ist Geschichte. Wenn sie mein Kind wär’, Quoyle, würd’ ich ihr ’n Orden verleihen. Aber es wird schwer werden, das mit der Schule ins reine zu bringen. Die Direktorin will nichts davon wissen, daß es Schwierigkeiten mit einer Lehrerin gibt. Lehrkräfte sind schwer zu kriegen. Sogar solche wie Mrs. Lumbull. Sie wird bestimmt versuchen, die Sache vom Tisch zu wischen.«
    An diesem Abend telefonierte Quoyle mit der Tante, wußte nicht, daß er sie in Bewegung setzen würde. Ein Kreischen durch die Leitung wie von einer Seemöwe. Sie nahm ein Flugzeug in aller Frühe, ließ sich nicht abweisen, und am Vormittag sah die Direktorin drei

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