Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
halbkreisförmige Abdrücke in ihrem Oberschenkel.
    »Sie hat angefangen!« schrie Bunny. Machte ein finsteres Gesicht wie Beethoven.
    »Du bist ein verbissenes, verkommenes Stück Scheiße!« blaffte Sunshine.
    »Um Himmels willen, regt euch ab«, sagte die Tante. »Neffe, wir müssen was unternehmen. Die Kinder müssen irgendwohin. Im Haus könnten wir sie, wenn wir einen Löwenbändiger hätten, Unkraut jäten und fegen lassen, Geschirr abwaschen und Fenster putzen, anstatt daß sie einander kratzen und beißen. Sie sind hier eingesperrt. Und Warren ist halb tot, weil sie keinen Auslauf hat.«
    »Rate mal, Daddy«, sagte Sunshine. »Warren hat unters Bett gekotzt.«
    »Sie ist jedenfalls nicht mehr die alte«, murmelte die Tante. »Was hast du da über deinen Job gesagt?« Spröde Stimme.
    »Ich hab’ gesagt, ich glaube, ich schaff’s nicht. So was wie diese Zeitung hab’ ich noch nie gesehen. Der Herausgeber ist irgendwie verrückt. Jack Buggit. Ich kenne die Gegend und die Leute noch nicht und soll über Autounfälle berichten. Ich kann nicht über Autounfälle berichten. Du weißt, warum. Ich muß an das denken, was passiert ist. Autounfälle. Schiffe. Außerdem bezweifle ich, daß wir in das Haus ziehen können. Der Kombi hält auf der Straße keine Woche durch. Wie soll ich dann zur Arbeit und wieder zurück kommen? Wahrscheinlich könnten wir einen Kleinlaster mit Vierradantrieb und verstärkten Stoßdämpfern kaufen, aber das heißt stundenlange Fahrten. Wie wär’s, wenn wir hier in Killick-Claw was mieten?«
    Die Tante bewegte wütend ihre Nadeln. Die Wolle sauste durch ihre Finger.
    »Natürlich schaffst du den Job. Wir stellen uns schrecklichen Dingen, weil wir sie nicht umgehen oder vergessen können. Je früher du darüber hinwegkommst, je früher du sagst: ›Ja, es ist passiert, und ich kann’s nicht ändern‹, desto früher kannst du dein eigenes Leben weiterleben. Du hast Kinder großzuziehen. Also mußt du darüber hinwegkommen. Über was wir auch wegkommen müssen, irgendwie schaffen wir’s. Auch wenn es noch so schlimm ist.«
    Klar, darüber wegkommen, dachte Quoyle. Drei-Groschen-Philosophie. Sie wußte nicht, was er durchgemacht hatte. Durchmachte.
    »Also, ich hab’ mich die ganze Woche lang umgesehen, habe die Kinder in Tom Rocks Taxi in Killick-Claw herumgezerrt und gesucht – ein Haus, eine Wohnung, sogar einzelne Zimmer. Ich muß mein Geschäft aufmachen. Jeden Abend hab’ ich das gesagt. Aber du bist mit dem Kopf woanders.« Fragte sich, wie lange er sich noch im Grab der toten Frau suhlen würde. »Wir müssen alle hier Tritt fassen und uns zusammenreißen. «
    »Du hast recht, Tante. Es tut mir leid, daß du die ganze Sucherei am Hals hast.« Er war jetzt hier, und ein Zurück gab es nicht.
    »Na, viel hab’ ich nicht gefunden. Es gibt ein kleines dunkles Zimmer bei der alten Mrs. Speck. Die Stadtverwaltung hat ihr gesagt, sie soll die Bettwäsche wechseln und das Schild ›Pension‹ raushängen. Es ist schlimmer als das Loch hier, aber billiger. Allerdings ist nur Platz für eine Person. In Killick-Claw scheint Wohnungsmangel zu herrschen. Der Ort boomt gerade.«
    Ihre Sätze wurden schneller, prasselten heraus, als würden sie mit den klappernden Nadeln Schritt halten wollen.
    »Wie ich sagte – wir brauchen ein Boot. Damit ist man in einer halben Stunde über der Bucht. Idiotisch, mit der Miete für ein Haus Geld zu vergeuden, wenn wir den alten Familiensitz da drüben haben, der bloß hergerichtet zu werden braucht. Ich habe heute mit einem Zimmermann geredet. Dennis Buggit, lebt in Killick-Claw. Seine Frau paßt morgen auf die Kinder auf, und ich fahre mit Dennis zum Haus rüber, ein paar Schätzungen anstellen, schauen, was alles zu machen ist. Beety heißt seine Frau. Überlegt, ob sie bei sich zu Hause eine Kindertagesstätte einrichten soll. Die beste Nachricht, seit wir hier sind. Die zwei«, sie schwenkte den Kopf, »könnten die ersten und besten Kunden werden.«
    Bunny trat gegen die Wand. Flennte.
    Das einzige, was Quoyle hörte, war »Boot«. »Tante, ich kenne mich mit Booten überhaupt nicht aus. Sie sind teuer. Sie sind unbequem. Sie sind gefährlich. Man braucht einen Liegeplatz oder so was. Ich will kein Boot.«
    »Ich fürchte, es ist das Vernünftigste. Es sei denn, du willst für gute hundert Dollar die Nacht hier bleiben. Das sind zwei Tage Arbeit vom Zimmermann.« Blaffte. Mit funkelnden Augen.
    Quoyle drückte auf die Knöpfe des Fernsehgeräts,

Weitere Kostenlose Bücher