Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
Vom Netzwerk:
Stahl zum Färben, Nähmaschinen und Schneidetische. Bloß zwei Sachen hatten sie nich’ – jemanden, der wußte, wie man Handschuhe macht, und das Leder. Sehen Sie, das Leder für die Handschuhe sollt’ von der Gerberei kommen, wo ich ein paar Jahre vorher gearbeitet hatte, aber die war geschlossen, und das hat den Typen, die die Handschuhfabrik bauten, nie einer gesagt, und auch der Arbeitsvermittlung nich’. Soweit das.
    Also bin ich wieder auf dem Nachhauseweg über die Bucht, die Fähre machte ihre zweite und letzte Fahrt. Und ich überlege. Ich überlege: ›Wenn ich gewußt hätt’, daß das Drecksding kein Leder hat, hätt’ ich mir den Weg sparen können.‹ Aber wie weiß man so was? Man liest es in der Zeitung! ’ne Lokalzeitung gab’s nich’. Bloß dieses Regierungsblatt unten in St. John’s, den Sea Lion. Also sag’ ich mir, ich versteh’ zwar nichts davon, kann kaum ’nen Satz schreiben – ich bin in der Schule übers Abc kaum rausgekommen , aber ich kam zu dem Schluß, wenn die eine Handschuhfabrik aufmachen können ohne Leder und ohne jemand, der weiß, wie man welche macht, dann kann ich ’ne Zeitung aufmachen.‹
    Also geh’ ich rüber zur kanadischen Arbeitsvermittlung und sag’: ›Ich will ’ne Zeitung aufmachen. Könnt ihr mir vielleicht dabei helfen?‹
    ›Wie viele Leute wollen Sie beschäftigen?‹ fragen sie. Und ich lang’ in die vollen. ›Fünfzig. Sobald die Sache mal läuft‹, sag ich. ›’türlich gibt’s erst mal ’ne Probezeit‹, sag’ ich. ›Die Leute müssen ausgebildet werden.‹ Das haben sie gefressen. Sie gaben mir ganze Schachteln voll Formularen zum Ausfüllen. Da fingen die Schwierigkeiten für mich an, und darum hab’ ich Billy Pretty dazu gebracht, das Fischen seinzulassen und mit an Bord zu kommen. Er hat ’ne schöne Handschrift, kann lesen wie einer von der Regierung. Wir haben die Sache angepackt.
    Sie schickten mich nach Toronto rüber, damit ich was vom Zeitungsgeschäft lerne. Sie gaben mir Geld. Ich hing, na ja, so vier, fünf Wochen in Toronto rum, ließ mich von ihnen vollschwafeln über redaktionelle Ausgewogenheit, Sauberkeit, den neuen Journalismus, journalistisches Ethos, den Dienst an der Gesellschaft. Hat mich in Rage gebracht. Nich’ die Hälfte von dem, was sie geblubbert haben, hab’ ich verstanden. Hab’ das, was ich wissen mußte, erst dadurch gelernt, daß ich’s genau hier, in meiner alten Werkstatt, gemacht hab’. Ich leite den Gammy Bird jetzt seit sieben Jahren, und die Auflage ist auf dreizehntausend rauf, wird jedes Jahr mehr. Die ganze Küste lang. Weil ich weiß, was die Leute lesen wollen. Und darüber wird nich’ diskutiert.
    Erst hab’ ich Billy eingestellt, dann Tert Card. Gute Leute. Da drüben in Toronto war der halbe Laden voller Frauen, die quasselten und schäkerten und den Männern schöne Augen machten, oder die Männer machten ihnen schöne Augen. Gearbeitet wurde überhaupt nich’. Billy weiß alles, was man wissen muß, um das ganze Frauenzeug zusammenzuschreiben. Er ist ’n alter Junggeselle und kann höllisch gut kochen. Meine Frau, Mrs. Buggit, schaut für den Fall des Falles drüber. Ich weiß, was meine Leser wollen und erwarten, und das kriegen sie. Und was ich sag’, das wird auch gemacht. Ich will von Ihnen nichts hören von wegen journalistische Ideen, dann kommen wir gut miteinander aus.«
    Hörte zu reden auf, um sich noch eine Zigarette anzustecken. Blickte Quoyle an, dessen Beine eingeschlafen waren. Der nickte langsam in seine Hand hinein.
    »Okay, Mr. Buggit. Ich werde mein Bestes tun.« »Sagen Sie Jack zu mir. Also, der Laden läuft folgendermaßen: Ich leite die Veranstaltung. Ich bin der Kapitän. Billy Pretty kümmert sich um die ›Heim und Herd‹-Seite, schreibt Geschnetzeltes – erzählen Sie ja keinem, daß er Junior Sugg ist -, betreut die Lokalmeldungen, Gemeinde- und Schulangelegenheiten. In Kanada gibt’s mehr Regierung als sonst wo auf der Welt. Fast die halbe Bevölkerung arbeitet für die Regierung. Und die andere Hälfte wird bearbeitet. Und auf lokaler Ebene haben wir den lieben langen Tag Versammlungen die Küste rauf und runter. Billy berichtet zum Teil auch über Verbrechen. Und davon gibt’s mehr als früher. Denn was früher Jux und Tollerei hieß, gilt jetzt als Vandalismus und Aggression. Billy Pretty. Der ist bei mir, seit ich mit dem Gammy Bird angefangen hab’.«
    »Beim Record hab’ ich über Gemeindedinge berichtet«, krächzte Quoyle mit

Weitere Kostenlose Bücher