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Schiffsmeldungen

Titel: Schiffsmeldungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annie Proulx
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Arbeit machte mir Spaß. Nähen mochte ich schon immer, was mit den Händen machen. Warren fand den Stuhl schön. Also machte ich einen mit Leder. Das war was, mit Leder zu arbeiten. Dieses richtig dunkle Rot, Burgund würde man wohl sagen. Allerdings bekam ich die Säume nicht so perfekt hin. Wölbten sich hier und da ein bißchen. Eine Menge Mühe hatte ich auch mit den Zierknöpfen. Machte mich krank, zu sehen, wie das schöne Leder verdorben war. Denn für mich war es verdorben. Also sagte Warren zu mir – wußte, daß ich mich darüber freuen würde -, sagte: ›Warum machst du keinen Lehrgang im Lederpolstern? Einen Kurs?‹
    Und Warren sah auch die Anzeige im Polsterermagazin. Schenkte mir das Abo zu Weihnachten. Eine Leseratte. Las alles, was ins Haus kam, von Zahnpastaschachteln bis Wein-etiketten. Kaufte freitags zum Abendessen immer eine Flasche Wein. Bücher! Meine Güte, das Hausboot war voller Bücher. Also, die Anzeige war für einen Sommerkurs – Polstern für Fortgeschrittene – in einer Schule unten in North Carolina. Warren forderte die Broschüre an. Ich war total entsetzt über die Gebühren und wollte nicht den ganzen Sommer alleine wegfahren. Der Kurs ging acht Wochen. Aber Warren sagte: ›Man weiß nie, Agnis, vielleicht kriegst du nie wieder die Gelegenheit dazu.‹ Und am Ende machte ich’s.«
    Sunshine wand sich aus Quoyles Armen und nahm sich die Klötzchen. Sie legte eines auf die Straße unter dem Tisch, warf Bunny einen triumphierenden Blick zu. Bunny ließ die Beine baumeln. Machte erst ein Auge zu, dann das andere, daß Sunshine, Quoyle und die Tante hin und her hüpften. Bis es den Anschein hatte, als würde am Rand ihres Gesichtsfeldes etwas auftauchen, etwas draußen im Gestrüpp, ein gleitender Schatten. Etwas Weißes! Das verschwand.
    Die Tante war in Fahrt, erzählte ihre Geschichte. Die romantische Version. »Es war in einem College in einer kleinen Stadt am Pamlico Sound. Es waren so etwa fünfzig Leute da von überallher. Eine Frau aus Iowa City, die sich auf Museumsrestauration spezialisieren wollte, mit alten Brokatstoffen und seltenen Geweben. Ein Mann, der Puppenmöbel baute. Ein Möbeldesigner, der immer wieder sagte, ihm ginge es um die Erfahrung. Ich schrieb Warren, ich sei froh, hingefahren zu sein. Erzählte ihnen, ich hätte kein Spezialgebiet, würde nur gern mit Leder arbeiten und wollte was dazulernen.«
    Sie legte das Sandpapier weg und wischte mit einem Wachstuch über die Tischplatte, lange Striche, die den Staub mitnahmen. Bunny schlich sich an der Wand entlang, kam zu Quoyle, brauchte seine Nähe. Drückte seinen Arm mit beiden Händen.
    »So nach der Hälfte des Kurses sagte dieser Ausbilder, er arbeitet mit italienischen Möbeldesignern zusammen: ›Agnis, ich hab’ einen schweren Brocken für dich.‹ War ein kleiner sieben Meter langer Kreuzer aus Fiberglas, der dem Schulhausmeister gehörte. Er hatte sich gerade ein gebrauchtes Boot gekauft. An mir war es, die ungestalten Polster zuzuschneiden und zu bespannen, die tagsüber als Sitzecken und nachts als Kojen dienten. Es gab eine dreieckige Bar, die er mit schwarzem Leder mit Zierknöpfen bespannt haben wollte, wobei die Zierknöpfe den Namen des Bootes wiedergeben sollten, Torquemada hieß es, das weiß ich noch. Ich überzeugte ihn, daß das längst nicht so gut aussehen würde wie Zierknöpfe im klassischen Rautenmuster, das Ganze mit einem hübschen unterfütterten Wulst am oberen Rand. Ich sagte ihm, er könnte sich den Bootsnamen ja auf eine Messingplatte gravieren lassen und sie hinter der Bar aufhängen, oder auch ein schönes Holzschild. Er sagte: ›Legen Sie los.‹ Es klappte.
    Ich machte ein paar Kurven, Schnecken und Rollen, Kräuseln und Falten rein – ein sehr protziger Stil, der den Träumen des Mannes entsprach. Es ist wirklich eine Kunst, und ich übertraf mich beim Polstern selbst. Reines Glück.«
    Sie stemmte eine Büchse auf. Gelbes Wachs. Der Geruch von Haushalt und Fleiß.
    »Der Ausbilder meinte, ich hätte ein Händchen für Bootsarbeiten, die Jachtpolsterei würde sich lohnen. Sagte, man würde so manches tolle Boot zu sehen bekommen und eine Menge interessante Leute kennenlernen.« Eindeutig hatte die Tante durch das Lob eines Fremden ihr Leben geändert.
    Quoyle hockte bei seinen Töchtern am Boden, baute eine Brücke über die Straße, eine Stadt, eine Metropole mit Klötzchenautos und dröhnenden Motoren. Baute geduldig Brücken wieder auf, die einstürzten, weil

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